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Historisches Gipfeltreffen in Konstanz

Im Jahr 1414 der Fleischwerdung des Herrn scheint die Welt aus den Fugen. Der heilige Vater in Rom führt ein Leben in Luxus und Laster, während zwei weitere Männer Anspruch auf seinen Stuhl erheben. Die Gläubigen sind verunsichert, die Kleriker zerstritten. Es ist die Zeit des abendländischen Schismas (seit 1378), der großen Spaltung der europäischen Christenheit, in der das Papsttum am Abgrund steht und die katholische Kirche zu zerfallen droht.

Um Himmel und Erde neu zu ordnen, ruft Kaiser Sigismund von Luxemburg (1368-1437) als ranghöchster katholischer Herrscher Europas die weltlichen und geistlichen Würdenträger des Kontinents nach Konstanz. Dort soll ein Konzil, eine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten, die Christenheit wieder einen und die Kirche "an Haupt und Gliedern" reformieren. Vier Jahre lang verhandeln Kardinäle und Äbte, Fürsten und Diplomaten mit König und Papst. Es ist das größte Treffen des Spätmittelalters; neueren Schätzungen zufolge halten sich in jener Zeit bis zu 70 000 Gäste in Konstanz auf: Konzilsteilnehmer, fahrende Händler, Gaukler, Huren und allerlei sonstiges Volk.

Dieser Zusammenkunft der Superlative widmet sich nun ein reich bebilderter Essayband, erschienen als Begleitpublikation zur diesjährigen Ausstellung "Das Konstanzer Konzil. Weltereignis des Mittelalters 1414-1418" im Badischen Landesmuseum Karlsruhe. Die darin gesammelten Beiträge beleuchten die Vorgeschichte des Treffens und zeigen, wie es Sigismund durch politisches Geschick gelang, die europäische Christenheit wieder unter einem Papst zu vereinen. Zudem erfährt der Leser, welche Konsequenzen den Gläubigen aus der Kirchenspaltung erwuchsen, und wie das Konzil das Leben in Konstanz veränderte.

Zunächst stellt das Werk die wichtigsten Protagonisten des Gipfeltreffens vor – allen voran Sigismund, der das Konzil einberief und in diplomatischer Meisterleistung sämtliche verfeindeten Parteien zur Teilnahme überredete. Das Buch widmet sich aber auch Papst Martin V., dessen Wahl die Kirchenspaltung beendete, sowie dem böhmischen Reformator Jan Hus, dem gefürchtetsten Kirchenkritiker jener Tage, der während der Zusammenkunft als Ketzer hingerichtet wurde. Zur Sprache kommen weiterhin die Beschlüsse, die das Konzil fasste. Sie betrafen die "causa unionis", die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit, aber auch die "causa reformationis", die Veränderung innerkirchlicher Zustände. Die Auseinandersetzung mit gewissen ketzerischen Gedanken stand ebenfalls im Fokus der Verhandlungen.

Für einen Paukenschlag sorgte gleich zu Beginn der Versammlung das Dekret "haec sancta", das die Oberhoheit des Konzils über das Papsttum festschrieb. Es richtete sich in kirchlichen Fragen gegen den Absolutheitsanspruch des heiligen Vaters, dem man angesichts der Spaltung nicht mehr zutraute, die Probleme der Zeit allein zu lösen. In die gleiche Richtung zielte das Dekret "frequens", das die regelmäßige Einberufung von Konzilien mindestens aller zehn Jahre vorsah.

Detailliert beleuchtet das Buch, wie es den Konstanzern in logistischer Meisterleistung gelang, das Zehnfache der städtischen Einwohnerzahl an Besuchern zu verköstigen und zu beherbergen. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Schriften des Bürgers Ulrich von Richental: Er verfasste eine Chronik des Konzils, die dem heutigen Leser recht anschaulich das damalige pralle Alltagsleben vor Augen führt. In die gleiche Kerbe schlug der Zeitgenosse Oswald von Wolkenstein, ein Südtiroler Wanderdichter, der das Konstanzer Freizeitangebot als wahrhaft "wunnikliches Paradies" beschrieb. Ob er dabei auch die 700 "offenen Frauen" im Sinn hatte, die sich um die weltlichen Bedürfnisse der geistlichen Herren kümmerten, wissen wir nicht.

Wer sich umfassend über das Konstanzer Konzil informieren möchte, findet in dem lesenswerten Band reichhaltiges Anschauungsmaterial. Am Ende erfahren wir, dass es seit 1417 wieder nur einen Stellvertreter Gottes auf Erden gab. Wir erfahren aber auch, dass die Chance auf eine Reform der Kirche vertan wurde – und dass jener Mann, der diese Reform vehement gefordert hatte, auf dem Scheiterhaufen landete.

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