Diktatur der Hormone
Wer zuerst die letzten Seiten eines Buchs liest, verdirbt sich oft den Spaß. In diesem Fall kann sich der Leser jedoch das unangenehme Gefühl ersparen, einer Werbekampagne auf den Leim gegangen zu sein. Dieser Eindruck stellt sich jedenfalls am Ende der Lektüre ein, wenn einem schwant, dass die Autorin mit ihrem Werk über das weibliche Gehirn nicht allein wissenschaftliche Interessen verfolgt. Denn im 30 Seiten langen Anhang informiert Louann Brizendine, Direktorin einer Klinik für Hormontherapie, ausführlich über ihre Erfolge bei der Östrogenbehandlung von Frauen in den Wechseljahren, streift dabei Risiken und Nebenwirkungen aber nur am Rande.
Auf den vorangehenden 250 Seiten beschreibt die Neuropsychiaterin sehr anschaulich, wie sich die weibliche Psyche unter dem Einfluss von Hormonen vom ersten Atemzug bis ins hohe Alter entwickelt. Im Denken und Fühlen von Frauen habe sich seit der Steinzeit nicht viel getan, glaubt die Autorin: "Wir mögen vielleicht glauben, wir seien wesentlich komplizierter strukturiert als Fred und Wilma Feuerstein, aber unsere grundlegende geistige Haltung und Ausstattung ist die gleiche." Maulfaule Herren und diskutierfreudige Damen deutet Brizendine evolutionsbiologisch: Während es für jene einst von Vorteil war, schweigend der Beute aufzulauern, konnten diese bei der Brutpflege ausgiebig palavern und ihr Gehirn auf Beziehungsarbeit trimmen.
Ihre weiblichen Talente nutzt Brizendine leider auch in einer Weise, die einer seriösen wissenschaftlichen Arbeit kaum gerecht wird. Anstatt zu argumentieren, suggeriert sie Zusammenhänge zwischen Gehirn, Hormonen und Verhalten unter anderem anhand von Beziehungsgeschichten ihrer Klientinnen und Analogien aus dem Tierreich.
Nur sind Menschen eben weder Ratten noch Wühlmäuse. Homo sapiens verfügt über eine Großhirnrinde, die in der Regel steuernd eingreifen kann – selbst in der prämenstruellen Phase. Das betont die Autorin, die sich als Feministin versteht, einerseits selbst immer wieder. Gegen Stimmungsschwankungen empfiehlt sie andererseits nicht Selbstmanagement, sondern Hormontherapie.
Ihre Thesen untermauert sie mit einem Literaturverzeichnis, das in seiner Ausführlichkeit einem Sachbuch alle Ehre macht, interpretiert diese Quellen aber sehr freizügig. Einige der von Brizendine zitierten Befunde gelten zudem als überholt, darunter etwa, dass Frauen elf Prozent mehr Neuronen in den Sprach- und Hörzentren des Gehirns haben. Ohnehin stimmen Forscher längst überein, dass die Differenzen innerhalb der Geschlechter größer sind als zwischen ihnen.
Warum hat Brizendine weit über die Buchseiten hinaus für Furore gesorgt? Zum einen empören sich Feministinnen, dass sie Argumente für die Benachteiligung von Frauen liefere. Zum anderen taugt ihr Buch zu einer soliden Gesprächsgrundlage für Partys und Kaffeeklatsch. Aber sollte demnächst jemand über die Eigenheiten des männlichen Gehirns schreiben, dann möge er bitte besser argumentieren. Worüber sollen Frauen denn noch quatschen, wenn sich auch die schlechten Zuhörerqualitäten ihrer Männer als Mythos entlarven lassen?
Auf den vorangehenden 250 Seiten beschreibt die Neuropsychiaterin sehr anschaulich, wie sich die weibliche Psyche unter dem Einfluss von Hormonen vom ersten Atemzug bis ins hohe Alter entwickelt. Im Denken und Fühlen von Frauen habe sich seit der Steinzeit nicht viel getan, glaubt die Autorin: "Wir mögen vielleicht glauben, wir seien wesentlich komplizierter strukturiert als Fred und Wilma Feuerstein, aber unsere grundlegende geistige Haltung und Ausstattung ist die gleiche." Maulfaule Herren und diskutierfreudige Damen deutet Brizendine evolutionsbiologisch: Während es für jene einst von Vorteil war, schweigend der Beute aufzulauern, konnten diese bei der Brutpflege ausgiebig palavern und ihr Gehirn auf Beziehungsarbeit trimmen.
Ihre weiblichen Talente nutzt Brizendine leider auch in einer Weise, die einer seriösen wissenschaftlichen Arbeit kaum gerecht wird. Anstatt zu argumentieren, suggeriert sie Zusammenhänge zwischen Gehirn, Hormonen und Verhalten unter anderem anhand von Beziehungsgeschichten ihrer Klientinnen und Analogien aus dem Tierreich.
Nur sind Menschen eben weder Ratten noch Wühlmäuse. Homo sapiens verfügt über eine Großhirnrinde, die in der Regel steuernd eingreifen kann – selbst in der prämenstruellen Phase. Das betont die Autorin, die sich als Feministin versteht, einerseits selbst immer wieder. Gegen Stimmungsschwankungen empfiehlt sie andererseits nicht Selbstmanagement, sondern Hormontherapie.
Ihre Thesen untermauert sie mit einem Literaturverzeichnis, das in seiner Ausführlichkeit einem Sachbuch alle Ehre macht, interpretiert diese Quellen aber sehr freizügig. Einige der von Brizendine zitierten Befunde gelten zudem als überholt, darunter etwa, dass Frauen elf Prozent mehr Neuronen in den Sprach- und Hörzentren des Gehirns haben. Ohnehin stimmen Forscher längst überein, dass die Differenzen innerhalb der Geschlechter größer sind als zwischen ihnen.
Warum hat Brizendine weit über die Buchseiten hinaus für Furore gesorgt? Zum einen empören sich Feministinnen, dass sie Argumente für die Benachteiligung von Frauen liefere. Zum anderen taugt ihr Buch zu einer soliden Gesprächsgrundlage für Partys und Kaffeeklatsch. Aber sollte demnächst jemand über die Eigenheiten des männlichen Gehirns schreiben, dann möge er bitte besser argumentieren. Worüber sollen Frauen denn noch quatschen, wenn sich auch die schlechten Zuhörerqualitäten ihrer Männer als Mythos entlarven lassen?
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