Der Blick zurück
Was unterscheidet Depressionen im Alter von denen in anderen Lebensphasen? Laut Experten liegen häufig andere Ursachen für die Krankheit vor: Viele Betroffene haben Krieg, Vertreibung und Flucht aus der Heimat erlebt und diese Ereignisse nicht verarbeitet. Die Diagnose gestaltet sich oft schwierig, denn Ältere leiden vorrangig unter körperlichen Beschwerden wie Schlafstörungen, die andere Symptome überdecken können. Noch dazu zeigen einige auf Grund der Depression kognitive Einschränkungen, die als Demenz fehldiagnostiziert werden können – obwohl sich dies dank klarer Demenzmerkmale wie Orientierungsstörungen in vielen Fällen verhindern ließe.
Die gute Botschaft der Autoren: Depressionen lassen sich bei alten Menschen grundsätzlich genauso gut behandeln wie bei Jüngeren. Es gibt jedoch ein paar Besonderheiten. Ältere sollten eine geringere Dosis Antidepressiva erhalten, und weil sie auf Grund weiterer Krankheiten häufig noch andere Arzneimittel einnehmen, muss der Arzt stärker auf mögliche Wechselwirkungen achten. Ein Psychotherapeut wiederum muss oft Jahrzehnte zurückblicken und weit in der Vergangenheit liegende Ursachen ergründen.
Das Buch wendet sich an Betroffene, Angehörige und Pflegekräfte. Die Autoren Frank Schneider, Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Aachen, und der Psychologe Thomas Nesseler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), befassen sich dazu ausführlich mit der Symptomatik und Diagnostik von Altersdepressionen, mit ihren Ursachen und ihrer Behandlung mittels Antidepressiva und Psychotherapie sowie in Selbsthilfegruppen. Darüber hinaus geben sie Angehörigen und Pflegekräften Hinweise zum Umgang mit den Betroffenen. So sollten diese die Patienten bitten, mit Suizidgedanken offen umzugehen, um darauf reagieren zu können. Das Buch schließt mit praktischen Fragen, etwa wie ein Betroffener einen geeigneten Psychotherapeuten findet. Des Weiteren gibt es ein Glossar, themenbezogene Adressen und Internetseiten.
Die Autoren betonen zu Recht zweierlei: zum einen, dass die Depression den ganzen Menschen betrifft – Körper und Seele. Zum anderen, dass es den depressiven Patienten nicht gibt und jeder Einzelne individuell zu behandeln ist. Allerdings ist fachlich zu bemängeln, dass sie bei leichten Depressionen Psychotherapie und Psychopharmaka als gleich wichtig darstellen, obwohl Studien zeigten, dass Antidepressiva hier weniger wirksam sind als eine Psychotherapie. Ein weiterer Nachteil: Die Autoren erläutern nicht genau, wie sich Fachärzte für Psychiatrie und Psychologische Psychotherapeuten unterscheiden, obwohl das wichtig sein könnte, wenn man sich als Patient bewusst für die Therapie bei einem Arzt oder Psychologen entscheiden will. Noch dazu erwecken sie den Eindruck, dass Altersdepressionen primär eine Domäne der Psychiatrie seien. Bis auf diese Schönheitsfehler ist der verständlich geschriebene Ratgeber jedoch zu empfehlen.
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