Modelle des Geistes
Dass wir die Welt aus der Perspektive der ersten Person betrachten, stellt nach wie vor das zentrale Rätsel in der Philosophie des Geistes dar. Inzwischen haben Neurowissenschaftler Erfolg versprechende experimentelle Zugänge zu einem Verständnis des Selbst entwickelt. Der Mainzer Neurophilosoph Thomas Metzinger führt in seinem ersten an ein breites Publikum gerichteten Buch sachkundig durch die Welt dieses jungen Forschungszweigs.
Dabei profitiert der Leser besonders davon, dass sich der Autor nicht nur theoretisch mit dem Thema beschäftigt hat. Experimente unter anderem von Metzinger selbst verdeutlichen, dass das menschliche Gehirn ein inneres Bild unseres Körpers erzeugt, das ihn uns als Einheit und uns zugehörig empfinden lässt. Werden die Mechanismen, die das Selbstmodell erzeugen, raffiniert getäuscht, können wir eine vor uns liegende Gummihand als Teil unseres eigenen Körpers erleben.
Ausführlich schildert Metzinger Phänomene außerkörperlicher Erfahrungen, bei denen der Geist den Körper zu verlassen scheint. Dies sind besonders drastische Belege dafür, dass unser Ich keine im Körper verankerte Instanz ist, sondern Inhalt eines vom Gehirn konstruierten, inneren Bilds. Deswegen wählt der Philosoph für das bewusste Erleben die Metapher des "Ego-Tunnels": Unsere bewussten Erfahrungen entspringen nicht dem direkten Kontakt mit der äußeren Welt, sondern werden in das vom Gehirn konstruierte Selbstmodell integriert. Nur so werden sie als eigene Erfahrungen erlebbar – wobei uns der zu Grunde liegende Mechanismus verborgen bleibt.
Das Bild vom Ego-Tunnel soll also keineswegs bedeuten, dass menschliche Subjekte ihr mentales Leben isoliert von der sie umgebenden Welt zubringen. Leider legt die Tunnel-Metapher aber genau dies nahe. Viel schöner und treffender schreibt Metzinger an anderer Stelle: "Wir sehen nicht das Fenster, sondern nur den Vogel, der vorbeifliegt."
Außerdem diskutiert der Autor neuere Ergebnisse der Traumforschung und die für die soziale Wahrnehmung wichtigen Spiegelneurone, unter anderem in einem sehr informativen Gespräch mit einem ihrer Entdecker, Vittorio Gallese. Danach wirft er die Frage nach der praktischen Umsetzung der Bewusstseinsforschung auf: Angenommen, die technischen Möglichkeiten erlaubten es, sollten wir dann künstliche Subjekte schaffen? Hier nimmt Metzinger eine sehr skeptische Haltung ein: "Wir sollten alles unterlassen, was zu einer Erhöhung der Gesamtmenge des Leidens (…) führt." Da ein künstliches Bewusstsein zunächst sicher mangelhaft konstruiert wäre, sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass seine Glücksbilanz negativ ausfällt.
Im letzten Kapitel kündigt Metzinger "eine neue Art von Ethik" an. Neuroethik ist eine sehr junge Disziplin mit noch unklaren Konturen, und es gibt wohl nur wenige Philosophen, die hier wie Metzinger über die nötige Fachkenntnis verfügen. Der Neurophilosoph stellt zunächst eine ganze Palette schon verfügbarer Stoffe vor, mit denen sich Bewusstseinszustände manipulieren und kognitive Fähigkeiten steigern lassen (siehe G&G 11/2009, S. 40). Die Schlüsselfragen dazu lauten: Was sind "gute" Bewusstseinszustände? Sollten wir Hirndoping legalisieren – und welche Risiken können wir dabei in Kauf nehmen? Metzinger weist zu Recht darauf hin, dass wir dieser Diskussion nicht mehr ausweichen können, hält sich aber mit konkreten Empfehlungen zurück.
Das Buch bietet einen gut lesbaren und dabei keineswegs oberflächlichen Einblick in theoretische und praktische Aspekte der neueren Bewusstseinsforschung. Es stellt deren Resultate und Perspektiven in einen anspruchsvollen philosophischen Rahmen, ohne dem Leser das eigene Denken abnehmen zu wollen. Das macht es sympathisch und, der eigentlichen Zielgruppe zum Trotz, auch für Philosophieprofessoren interessant.
Dabei profitiert der Leser besonders davon, dass sich der Autor nicht nur theoretisch mit dem Thema beschäftigt hat. Experimente unter anderem von Metzinger selbst verdeutlichen, dass das menschliche Gehirn ein inneres Bild unseres Körpers erzeugt, das ihn uns als Einheit und uns zugehörig empfinden lässt. Werden die Mechanismen, die das Selbstmodell erzeugen, raffiniert getäuscht, können wir eine vor uns liegende Gummihand als Teil unseres eigenen Körpers erleben.
Ausführlich schildert Metzinger Phänomene außerkörperlicher Erfahrungen, bei denen der Geist den Körper zu verlassen scheint. Dies sind besonders drastische Belege dafür, dass unser Ich keine im Körper verankerte Instanz ist, sondern Inhalt eines vom Gehirn konstruierten, inneren Bilds. Deswegen wählt der Philosoph für das bewusste Erleben die Metapher des "Ego-Tunnels": Unsere bewussten Erfahrungen entspringen nicht dem direkten Kontakt mit der äußeren Welt, sondern werden in das vom Gehirn konstruierte Selbstmodell integriert. Nur so werden sie als eigene Erfahrungen erlebbar – wobei uns der zu Grunde liegende Mechanismus verborgen bleibt.
Das Bild vom Ego-Tunnel soll also keineswegs bedeuten, dass menschliche Subjekte ihr mentales Leben isoliert von der sie umgebenden Welt zubringen. Leider legt die Tunnel-Metapher aber genau dies nahe. Viel schöner und treffender schreibt Metzinger an anderer Stelle: "Wir sehen nicht das Fenster, sondern nur den Vogel, der vorbeifliegt."
Außerdem diskutiert der Autor neuere Ergebnisse der Traumforschung und die für die soziale Wahrnehmung wichtigen Spiegelneurone, unter anderem in einem sehr informativen Gespräch mit einem ihrer Entdecker, Vittorio Gallese. Danach wirft er die Frage nach der praktischen Umsetzung der Bewusstseinsforschung auf: Angenommen, die technischen Möglichkeiten erlaubten es, sollten wir dann künstliche Subjekte schaffen? Hier nimmt Metzinger eine sehr skeptische Haltung ein: "Wir sollten alles unterlassen, was zu einer Erhöhung der Gesamtmenge des Leidens (…) führt." Da ein künstliches Bewusstsein zunächst sicher mangelhaft konstruiert wäre, sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass seine Glücksbilanz negativ ausfällt.
Im letzten Kapitel kündigt Metzinger "eine neue Art von Ethik" an. Neuroethik ist eine sehr junge Disziplin mit noch unklaren Konturen, und es gibt wohl nur wenige Philosophen, die hier wie Metzinger über die nötige Fachkenntnis verfügen. Der Neurophilosoph stellt zunächst eine ganze Palette schon verfügbarer Stoffe vor, mit denen sich Bewusstseinszustände manipulieren und kognitive Fähigkeiten steigern lassen (siehe G&G 11/2009, S. 40). Die Schlüsselfragen dazu lauten: Was sind "gute" Bewusstseinszustände? Sollten wir Hirndoping legalisieren – und welche Risiken können wir dabei in Kauf nehmen? Metzinger weist zu Recht darauf hin, dass wir dieser Diskussion nicht mehr ausweichen können, hält sich aber mit konkreten Empfehlungen zurück.
Das Buch bietet einen gut lesbaren und dabei keineswegs oberflächlichen Einblick in theoretische und praktische Aspekte der neueren Bewusstseinsforschung. Es stellt deren Resultate und Perspektiven in einen anspruchsvollen philosophischen Rahmen, ohne dem Leser das eigene Denken abnehmen zu wollen. Das macht es sympathisch und, der eigentlichen Zielgruppe zum Trotz, auch für Philosophieprofessoren interessant.
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