Mit Eloquenz gegen die Fundamentalisten
Genau dreißig Jahre nach seinem Bestseller "Das egoistische Gen" hat der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins ein Buch geschrieben, das noch viel schneller zum Bestsellerstatus aufgestiegen ist: Während "Das egoistische Gen" über die Jahre in 25 Sprachen übersetzt worden ist, kommt "Der Gotteswahn" nach nur einem einzigen Jahr auf 30 fremdsprachige Ausgaben.
Ist das neue Werk ähnlich revolutionär wie das alte? Leider nein! Es ist, wie jedes Buch von Richard Dawkins, ebenso elegant wie amüsant geschrieben und enthält eine Fülle von hilfreichen Informationen zum Thema Religionskritik. Doch anders als "Das egoistische Gen" stellt "Der Gotteswahn " unser Weltbild nicht auf den Kopf. Skeptiker, Agnostiker oder Atheisten werden den Eindruck gewinnen, dass Dawkins offene Türen einrennt. Juden, Christen oder Muslime werden bestreiten, dass der Gott, den Dawkins kritisiert, ihr Gott sei. Die meisten Rezensionen im angloamerikanischen Raum beschränken sich darauf, Dawkins vorzuwerfen, er habe die Bibel nicht richtig verstanden, argumentiere unangemessen polemisch und sei letztlich genauso fundamentalistisch wie diejenigen, gegen die er so rigoros zu Felde zieht.
Aber der Reihe nach. Eines der zehn Kapitel setzt sich mit den traditionellen Gottesbeweisen auseinander. Wie zahllose Autoren vor ihm zeigt Dawkins, dass keines der Argumente für die Existenz Gottes wirklich schlüssig ist. Sie beweisen bestenfalls eine "erste Ursache" oder einen "unbewegten Beweger", doch keinesfalls den allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gott der abrahamitischen Religionen.
Ein weiteres Kapitel geht den evolutionären Wurzeln der Religion nach. Wie konnte die Natur, die sonst so haushälterisch mit ihren Kräften umgeht, ein so extravagantes Verhalten wie die Religiosität hervorbringen, das die Menschen mit sinnlosen Opfern, Gebeten und Ritualen aufhält und weder dem eigenen Überleben noch der eigenen Fortpflanzung dient? Dawkins erklärt sie, analog den Brustwarzen des Manns, zum unvermeidlichen Nebenprodukt einer anderwärts vorteilhaften Eigenschaft, in diesem Falle der vererblichen Neigung der Kinder, alles unhinterfragt zu glauben, was die Autoritätspersonen ihnen erzählen. Weitere Erklärungen folgen demselben Muster.
Als guter Naturalist zeigt Dawkins im nächsten Kapitel, dass wir keineswegs auf eine übernatürliche Wesenheit wie einen Gott angewiesen sind, um zu erklären, warum sich Menschen moralisch verhalten. Moralisches Verhalten hat evolutionäre Wurzeln. Gebote wie "Du sollst nicht stehlen ", "Du sollst nicht lügen" oder "Du sollst nicht töten" galten schon Hundertausende von Jahren, bevor Moses sie auf dem Berg Sinai aus Gottes Hand entgegennahm.
Ein weiteres Argument für die Religion zerpflückt Dawkins im Schlusskapitel: Wir brauchen sie nicht, um unserem Leben einen Sinn zu geben. Teil der Evolutionsgeschichte zu sein ist ein mindestens genauso aufregendes Abenteuer wie Teil einer Schöpfungsgeschichte zu sein. Und die Hypothesen der Wissenschaft sind allemal spannender als die Mythen der Religion.
Auch die übrigen Kapitel sind über die Maßen lesenswert. Dennoch hätte Dawkins’ Buch noch überzeugender ausfallen können,wenn er nicht in drei Punkten ohne Not weit reichende Konzessionen gemacht hätte.
Menschen hätten ein angeborenes Bedürfnis nach Religion. Der Versuch, die Mehrzahl der Bevölkerung von ihren himmlischen Hoffnungen abzubringen, sei zum Scheitern verurteilt. Das ist falsch, wie das Beispiel der ehemaligen DDR zeigt. Trotz der Wiedereinführung des Religionsunterrichts und immenser Bemühungen gelingt es den Kirchen nicht, die Brüder und Schwestern im Osten zu bekehren.
Ohne eine religiöse Grundlage falle die Moral einem hoffnungslosen Relativismus zum Opfer. Das ist schon fast das Zugeständnis, dass die Religion das Fundament der Ethik sei, und falsch obendrein, wie Sokrates vor mehr als zweitausend Jahren schon gezeigt hat: Man stelle einem religiösen Menschen, der glaubt, dass gut sei, was Gott gutheiße, und schlecht sei, was Gott schlechtheiße, nur folgende Frage: "Ist die Nächstenliebe gut, weil Gott sie zufällig gutheißt, oder heißt Gott die Nächstenliebe gut, weil sie tatsächlich gut ist?" Da kein Christ seinen Gott für einen willkürlichen Herrscher hält, wird er selbstverständlich antworten, dass Gott die Nächstenliebe gutheiße, weil sie in der Tat gut ist. Damit aber gibt er zu, dass es ein von Gott unabhängiges Kriterium dafür gibt, was moralisch richtig und falsch ist.
Am erstaunlichsten ist jedoch, dass Dawkins die Frage der Theodizee nicht aufgreift. Das Leid und Elend dieser Welt ist mit der behaupteten Allmacht, Allwissenheit und Allgüte Gottes nicht in Einklang zu bringen, was nach wie vor den größten Einwand gegen den Glauben an einen gütigen Schöpfer bildet. In diesem Punkt hätte Dawkins nur seinem großen Vorbild Charles Darwin zu folgen brauchen.
Wer Dawkins’ Stil und seine eloquente Argumentation schätzt, sollte sich den "Gotteswahn" nicht entgehen lassen. Wer auf deutsche Gründlichkeit und philosophische Tiefe setzt, sollte sich besser Norbert Hoersters "Die Frage nach Gott" zulegen.
Ist das neue Werk ähnlich revolutionär wie das alte? Leider nein! Es ist, wie jedes Buch von Richard Dawkins, ebenso elegant wie amüsant geschrieben und enthält eine Fülle von hilfreichen Informationen zum Thema Religionskritik. Doch anders als "Das egoistische Gen" stellt "Der Gotteswahn " unser Weltbild nicht auf den Kopf. Skeptiker, Agnostiker oder Atheisten werden den Eindruck gewinnen, dass Dawkins offene Türen einrennt. Juden, Christen oder Muslime werden bestreiten, dass der Gott, den Dawkins kritisiert, ihr Gott sei. Die meisten Rezensionen im angloamerikanischen Raum beschränken sich darauf, Dawkins vorzuwerfen, er habe die Bibel nicht richtig verstanden, argumentiere unangemessen polemisch und sei letztlich genauso fundamentalistisch wie diejenigen, gegen die er so rigoros zu Felde zieht.
Aber der Reihe nach. Eines der zehn Kapitel setzt sich mit den traditionellen Gottesbeweisen auseinander. Wie zahllose Autoren vor ihm zeigt Dawkins, dass keines der Argumente für die Existenz Gottes wirklich schlüssig ist. Sie beweisen bestenfalls eine "erste Ursache" oder einen "unbewegten Beweger", doch keinesfalls den allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gott der abrahamitischen Religionen.
Ein weiteres Kapitel geht den evolutionären Wurzeln der Religion nach. Wie konnte die Natur, die sonst so haushälterisch mit ihren Kräften umgeht, ein so extravagantes Verhalten wie die Religiosität hervorbringen, das die Menschen mit sinnlosen Opfern, Gebeten und Ritualen aufhält und weder dem eigenen Überleben noch der eigenen Fortpflanzung dient? Dawkins erklärt sie, analog den Brustwarzen des Manns, zum unvermeidlichen Nebenprodukt einer anderwärts vorteilhaften Eigenschaft, in diesem Falle der vererblichen Neigung der Kinder, alles unhinterfragt zu glauben, was die Autoritätspersonen ihnen erzählen. Weitere Erklärungen folgen demselben Muster.
Als guter Naturalist zeigt Dawkins im nächsten Kapitel, dass wir keineswegs auf eine übernatürliche Wesenheit wie einen Gott angewiesen sind, um zu erklären, warum sich Menschen moralisch verhalten. Moralisches Verhalten hat evolutionäre Wurzeln. Gebote wie "Du sollst nicht stehlen ", "Du sollst nicht lügen" oder "Du sollst nicht töten" galten schon Hundertausende von Jahren, bevor Moses sie auf dem Berg Sinai aus Gottes Hand entgegennahm.
Ein weiteres Argument für die Religion zerpflückt Dawkins im Schlusskapitel: Wir brauchen sie nicht, um unserem Leben einen Sinn zu geben. Teil der Evolutionsgeschichte zu sein ist ein mindestens genauso aufregendes Abenteuer wie Teil einer Schöpfungsgeschichte zu sein. Und die Hypothesen der Wissenschaft sind allemal spannender als die Mythen der Religion.
Auch die übrigen Kapitel sind über die Maßen lesenswert. Dennoch hätte Dawkins’ Buch noch überzeugender ausfallen können,wenn er nicht in drei Punkten ohne Not weit reichende Konzessionen gemacht hätte.
Menschen hätten ein angeborenes Bedürfnis nach Religion. Der Versuch, die Mehrzahl der Bevölkerung von ihren himmlischen Hoffnungen abzubringen, sei zum Scheitern verurteilt. Das ist falsch, wie das Beispiel der ehemaligen DDR zeigt. Trotz der Wiedereinführung des Religionsunterrichts und immenser Bemühungen gelingt es den Kirchen nicht, die Brüder und Schwestern im Osten zu bekehren.
Ohne eine religiöse Grundlage falle die Moral einem hoffnungslosen Relativismus zum Opfer. Das ist schon fast das Zugeständnis, dass die Religion das Fundament der Ethik sei, und falsch obendrein, wie Sokrates vor mehr als zweitausend Jahren schon gezeigt hat: Man stelle einem religiösen Menschen, der glaubt, dass gut sei, was Gott gutheiße, und schlecht sei, was Gott schlechtheiße, nur folgende Frage: "Ist die Nächstenliebe gut, weil Gott sie zufällig gutheißt, oder heißt Gott die Nächstenliebe gut, weil sie tatsächlich gut ist?" Da kein Christ seinen Gott für einen willkürlichen Herrscher hält, wird er selbstverständlich antworten, dass Gott die Nächstenliebe gutheiße, weil sie in der Tat gut ist. Damit aber gibt er zu, dass es ein von Gott unabhängiges Kriterium dafür gibt, was moralisch richtig und falsch ist.
Am erstaunlichsten ist jedoch, dass Dawkins die Frage der Theodizee nicht aufgreift. Das Leid und Elend dieser Welt ist mit der behaupteten Allmacht, Allwissenheit und Allgüte Gottes nicht in Einklang zu bringen, was nach wie vor den größten Einwand gegen den Glauben an einen gütigen Schöpfer bildet. In diesem Punkt hätte Dawkins nur seinem großen Vorbild Charles Darwin zu folgen brauchen.
Wer Dawkins’ Stil und seine eloquente Argumentation schätzt, sollte sich den "Gotteswahn" nicht entgehen lassen. Wer auf deutsche Gründlichkeit und philosophische Tiefe setzt, sollte sich besser Norbert Hoersters "Die Frage nach Gott" zulegen.
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