Ein paar Ziegel mehr
"Wenn dieses Buch die von mir beabsichtigte Wirkung hat, werden Leser, die es als religiöse Menschen zur Hand genommen haben, es als Atheisten wieder zuschlagen." Eine große Aufgabe, die Richard Dawkins da im Vorwort seines aktuellen Bestsellers "Der Gotteswahn" (weltweit mehr als eine Million verkaufte Exemplare) formuliert. Ganz ernst kann es ihm mit diesem Anliegen allerdings nicht gewesen sein, denn als Bekehrungsschrift zum Atheismus taugt "Der Gotteswahn" beileibe nicht. Wer vor der Lektüre auf der nach Dawkins Meinung falschen Seite der intellektuellen Brandmauer stand, die Gläubige von Atheisten trennt, wird nach dem Genuss der mehr als 570 Seiten kaum den Standpunkt gewechselt haben. Eher steht zu befürchten, dass ihm die andere Seite noch ein wenig fremder geworden ist.
Dawkins führt seinen Kampf gegen die Religionen als Naturwissenschaftler, dem die Evolutionsbiologie genügend Erkenntnisse bietet, um unsere Existenz auch ohne die Annahme einer Schöpfermacht erklärbar zu machen. Dabei bricht er mit der Tradition, Religion und Wissenschaft als getrennte Bereiche zu akzeptieren, die gewissermaßen in friedlicher Koexistenz ihre jeweilige gesellschaftliche Nische bevölkern, ohne dem anderen weh zu tun. Dawkins fordert die Religion zum Wettstreit in die Schranken der Wissenschaft, indem er Gott zu einer wissenschaftlichen Hypothese wie jede andere macht. Und er weist sehr klar nach, dass etwa der "eifersüchtige", "nachtragende", "blutrünstige", "frauenfeindliche", "launisch-boshafte Tyrann", der Gott nach den Berichten des Alten Testaments sein müsste, so wenig zur Erklärung unserer Existenz beitragen kann wie eine Teekanne auf Erdumlaufbahn oder ein fliegendes Spaghettimonster.
In Zeiten, in denen alttestamentarische Schöpfungsmythen gerade wieder im scheinbar modernen Gewand des Intelligent Design eine bedenkliche Präsenz gewinnen, kann dieser Teil von Dawkins Arbeit gar nicht hoch genug bewertet werden. Trotzdem bleibt "Der Gotteswahn" auch für Leser, die Dawkins Thesen zustimmen mögen, ein zwiespältiges Buch. Das liegt zum einen an der Bösartigkeit, mit der der Autor an vielen Stellen über seine Gegner herfällt und die ihn mitunter zu abstrusen Theorien wie dieser verführt: "... sexueller Missbrauch [ist] zweifellos etwas Entsetzliches, aber der dadurch verursachte langfristige psychische Schaden [ist] geringer als der, den eine katholische Erziehung anrichte[t]". Solche Beißattacken scheinen wenig geeignet, die Objekte dieser Erziehung für Dawkins Sicht der Welt zu gewinnen.
Schwerer wiegt aber noch eine latente Überheblichkeit, die an vielen Stellen des Werkes durchschimmert. Schon der Titel rückt alle Gläubigen in die Nähe von psychisch Kranken – eine Deutung, die der Autor gleich im Vorwort mit einem Zitat von Robert M. Pirsig nachdrücklich unterstreicht: "Leidet ein Mensch an einer Wahnvorstellung, so nennt man es Geisteskrankheit. Leiden viele Menschen an einer Wahnvorstellung, dann nennt man es Religion." Doch wollen sich Kranke wirklich von einem Arzt helfen lassen, der ihr Leiden verspottet? Etwa mit dem Hinweis auf den elektrischen Stuhl, den Christen an der Kette um den Hals trügen, wäre Jesus im 20. Jahrhundert gestorben? Hier stößt das Werk an die Grenze, die ihm die intellektuelle Freude seines Autors an der Zurschaustellung eines vermeintlich tumben Gegners setzt.
So bleibt als Fazit. Ein durchaus lesenswertes Buch, das vor allem Freunde einer guten Polemik auf ihre Kosten kommen lässt. Dem oben zitierten Anspruch seines Autors wird es dagegen nicht gerecht, im Gegenteil: Der Mauer zwischen Religion und Atheismus dürfte Dawkins mit "Der Gotteswahn" ein paar Ziegel hinzugefügt haben.
Dawkins führt seinen Kampf gegen die Religionen als Naturwissenschaftler, dem die Evolutionsbiologie genügend Erkenntnisse bietet, um unsere Existenz auch ohne die Annahme einer Schöpfermacht erklärbar zu machen. Dabei bricht er mit der Tradition, Religion und Wissenschaft als getrennte Bereiche zu akzeptieren, die gewissermaßen in friedlicher Koexistenz ihre jeweilige gesellschaftliche Nische bevölkern, ohne dem anderen weh zu tun. Dawkins fordert die Religion zum Wettstreit in die Schranken der Wissenschaft, indem er Gott zu einer wissenschaftlichen Hypothese wie jede andere macht. Und er weist sehr klar nach, dass etwa der "eifersüchtige", "nachtragende", "blutrünstige", "frauenfeindliche", "launisch-boshafte Tyrann", der Gott nach den Berichten des Alten Testaments sein müsste, so wenig zur Erklärung unserer Existenz beitragen kann wie eine Teekanne auf Erdumlaufbahn oder ein fliegendes Spaghettimonster.
In Zeiten, in denen alttestamentarische Schöpfungsmythen gerade wieder im scheinbar modernen Gewand des Intelligent Design eine bedenkliche Präsenz gewinnen, kann dieser Teil von Dawkins Arbeit gar nicht hoch genug bewertet werden. Trotzdem bleibt "Der Gotteswahn" auch für Leser, die Dawkins Thesen zustimmen mögen, ein zwiespältiges Buch. Das liegt zum einen an der Bösartigkeit, mit der der Autor an vielen Stellen über seine Gegner herfällt und die ihn mitunter zu abstrusen Theorien wie dieser verführt: "... sexueller Missbrauch [ist] zweifellos etwas Entsetzliches, aber der dadurch verursachte langfristige psychische Schaden [ist] geringer als der, den eine katholische Erziehung anrichte[t]". Solche Beißattacken scheinen wenig geeignet, die Objekte dieser Erziehung für Dawkins Sicht der Welt zu gewinnen.
Schwerer wiegt aber noch eine latente Überheblichkeit, die an vielen Stellen des Werkes durchschimmert. Schon der Titel rückt alle Gläubigen in die Nähe von psychisch Kranken – eine Deutung, die der Autor gleich im Vorwort mit einem Zitat von Robert M. Pirsig nachdrücklich unterstreicht: "Leidet ein Mensch an einer Wahnvorstellung, so nennt man es Geisteskrankheit. Leiden viele Menschen an einer Wahnvorstellung, dann nennt man es Religion." Doch wollen sich Kranke wirklich von einem Arzt helfen lassen, der ihr Leiden verspottet? Etwa mit dem Hinweis auf den elektrischen Stuhl, den Christen an der Kette um den Hals trügen, wäre Jesus im 20. Jahrhundert gestorben? Hier stößt das Werk an die Grenze, die ihm die intellektuelle Freude seines Autors an der Zurschaustellung eines vermeintlich tumben Gegners setzt.
So bleibt als Fazit. Ein durchaus lesenswertes Buch, das vor allem Freunde einer guten Polemik auf ihre Kosten kommen lässt. Dem oben zitierten Anspruch seines Autors wird es dagegen nicht gerecht, im Gegenteil: Der Mauer zwischen Religion und Atheismus dürfte Dawkins mit "Der Gotteswahn" ein paar Ziegel hinzugefügt haben.
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