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Schwarze Löcher sind keine Allesfresser

Es begann im Winter 1983: In San Francisco kamen einige namhafte Physiker zu einer kleinen Fachkonferenz zusammen. Mit dabei war Stephen Hawking, englischer Astrophysiker, berühmt geworden vor allem durch seinen Bestseller "Eine kurze Geschichte der Zeit". Hawking hielt auf der Konferenz einen Vortrag, in dem er eine weit reichende Behauptung aufstellte: Information, die in ein Schwarzes Loch falle, sei unwiederbringlich verloren. Zwar würde jedes Schwarze Loch irgendwann verdunsten, doch bleibe dabei von dem, was hineingefallen sei, keine Spur übrig.

Fast alle anwesenden Physiker nahmen Hawkings Bemerkung mehr oder weniger beiläufig zur Kenntnis, bis auf zwei: der Niederländer Gerardus't Hooft, der später den Physik-Nobelpreis bekam, und der Amerikaner Leonard Susskind. Beide waren von dem Vortrag geschockt. Denn ihnen dämmerte, was es bedeuten würde, wenn Hawking Recht hätte. Ein elementares Naturgesetz, die Erhaltung der Information, wäre gefährdet. Und damit geriete das ganze Gebäude der modernden Physik ins Wanken; speziell die Quantenmechanik wäre gefährdet. 't Hooft und Susskind begannen fieberhaft, nach einer Lücke in Hawkings Argumentation zu suchen. Eine Suche, die fünfzehn Jahre dauerte und schließlich in der Erkenntnis mündete, dass Hawking geirrt hatte: Schwarze Löcher vernichten keine Information.

So schildert Leonard Susskind die Geschichte in seinem Buch "Der Krieg um das Schwarze Loch". Die amerikanische Originalausgabe erschien 2008, die deutsche Übersetzung hat kürzlich der Suhrkamp Verlag Berlin veröffentlicht. Der Titel des Buchs ist unglücklich gewählt, "Krieg um das Schwarze Loch" klingt nach reißerischer Sciencefiction, also ziemlich genau nach dem Gegenteil davon, was das Buch tatsächlich vermittelt. Auf gut 500 Seiten nimmt Susskind die Leser mit auf eine wissenschaftlich sehr fundierte, faszinierende und lehrreiche Reise durch die Quantenmechanik, die Stringtheorie und die Kosmologie. Susskind ist ein renommierter Experte auf dem Gebiet, er arbeitet als Professor für Theoretische Physik an der Stanford University und gehört der Amerikanischen Akademie der Künste und Wissenschaften an, zudem hat er sich schon früher mit einschlägigen Büchern profiliert.

Susskind erklärt detailliert, warum Hawkings Behauptung so problematisch war. Und er schildert, wie er und viele weitere Physiker jahrelang versuchten, Hawkings These zu widerlegen. Die Auseinandersetzung gipfelte in der Entdeckung des Holografischen Prinzips – ein Konzept, das eine tief greifende Umwälzung in der modernen Physik einleitete. Packend beschreibt Susskind, was es damit auf sich hat und welche verwirrenden, ja verstörenden Konsequenzen das Holografische Prinzip für unser Weltbild hat.

Susskind baut sein Buch Schritt für Schritt auf, führt den Leser in die Relativitätstheorie, die Quantenmechanik, die Schwarzloch-Physik und die Stringtheorie ein. Es ist bei der Lektüre von Vorteil, wenn man einschlägige Vorkenntnisse besitzt. Aber auch Laien können dem Autor sicher sehr weit folgen, da er selbst abstrakte Dinge wie die Entropie eines Schwarzen Lochs plastisch und anschaulich erklärt. Ganz theoretischer Physiker, kommt er mit verblüffenden Gedankenexperimenten zu weitreichenden Schlussfolgerungen über die Natur Schwarzer Löcher oder über die Eigenschaften von Elementarteilchen.

An einigen Stellen führt er physikalische Gleichungen an und nimmt einfache Berechnungen vor, obwohl ihm als Buchautor, wie er schreibt, nachdrücklich davon abgeraten wurde: Mit jeder weiteren Gleichung würden zehntausend Bücher weniger verkauft. Eine Befürchtung, die bei diesem Buch unbegründet ist – die wenigen Formeln, die Susskind bringt, sind nachvollziehbar und erhellend, und wer sie trotzdem nicht mag, kann sie überblättern und im nächsten Kapitel weitermachen.

Immer wieder lockert Susskind seine Erläuterungen durch persönliche Anekdoten auf, durch eingestreute Reisebeschreibungen und durch witzige Dialoge mit Freunden und Kollegen, die er wiedergibt. Am Ende wagt er einen Ausblick auf die vielleicht tiefste Frage der künftigen Kosmologie – auf die Frage nach den Objekten hinter dem kosmischen Horizont.

"Der Krieg um das Schwarze Loch" ist ein wertvolles und spannendes Buch über die moderne Physik. Es ist durchweg flüssig lesbar – nicht zuletzt, weil die Lektoren und Übersetzer sehr gute Arbeit geleistet haben. Das Buch erlaubt tiefe Einblicke in eine faszinierende Wissenschaft, die sich mit den Grundfragen unseres Weltbilds beschäftigt, und ist daher allen interessierten Lesern uneingeschränkt zu empfehlen.

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