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Die Liebe zur Tonkunst

Sein Lebenslauf allein böte genug Stoff für ein Buch: Autor Daniel J. Levitin, Professor an der renommierten McGill University in Montreal (Kanada), ist nicht nur ein bekannter Kognitionspsychologe und Neurowissenschaftler, der seit Jahren die menschliche Musikwahrnehmung und angrenzende Phänomene erforscht. Er hat darüber hinaus Alben etwa von Santana und The Grateful Dead produziert, berät Legenden wie Stevie Wonder und Eric Clapton bei der Songauswahl und ist deshalb ein gefragter Musikexperte in den US-Medien. Natürlich macht er selbst auch Musik, vorzugsweise mit Saxofon, Gitarre oder Bass.

Multitalente wie Levitin findet man in anderen Kunstdisziplinen, etwa der Malerei, eher selten. In den kognitiven Neurowissenschaften sind dagegen häufig Musiker anzutreffen. Der Autor hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Psychologie der Musik und des Musizierens wissenschaftlich zu erforschen. Seine Erkenntnisse fasst er in diesem populären Sachbuch zusammen, dessen englische Originalausgabe in den USA großen Erfolg hatte.

Zu Beginn des umfangreichen Bands erklärt der Autor die Grundlagen der Musik – Töne und Rhythmus, Klangfarbe und Melodien. Nach dieser Einführung steigt er in die kognitionspsychologischen Grundlagen ein: Wie wird Musik mental repräsentiert? Wie erkennen wir musikalische Strukturen, und wie ordnen wir sie in Kategorien ein? Es folgen die neuronalen Grundlagen der Musikwahrnehmung und des Musizierens sowie die Frage, was einen guten Musiker ausmacht – Begabung, beharrliches Üben oder beides? Und warum mögen wir eigentlich unsere Lieblingslieder?

Das letzte Kapitel, "Der Musik-Instinkt", gab dem Buch seinen Titel und spielt auf den Bestseller "The Language Instinct" von Steven Pinker an, der die menschliche Sprache auf eine angeborene Disposition zurückführt. Der Musik hatte der Harvard-Psychologe allerdings nur eine Nebenrolle im Konzert der Kognitionen zugeteilt. Dem widerspricht Levitin und erweitert Pinkers Argumentation: Auch die Bedeutung der Musik leite sich evolutionsbiologisch ab. Sie sei eine Art präverbale Sprache, die Emotionen erzeuge und zu Kommunikation anrege. Musik helfe, Gefühle zu "synchronisieren", zum Beispiel indem die Mitglieder einer Gruppe gemeinsam zu ihr tanzen und singen. Die thematische Vielfalt ist die große Stärke des Buchs und zugleich seine einzige Schwäche: Manche Kapitel sind elementar einführend, andere hingegen verlangen beträchtliches Hintergrundwissen, weitere bewegen sich gar auf einem anspruchsvollen akademischen Niveau – und dazu kommen jede Menge Anekdoten aus dem Musikbusiness. Eine klare Zielgruppe lässt sich da schwer ausmachen.

Der Leser erfährt nebenbei so einiges über den Altrocker Mick Jagger, die Gruppe Metallica und den Popsänger Sting. Wer das zur Auflockerung mag, findet hier einen angenehmen Einstieg in die Musikpsychologie – ungewöhnlich ist es allemal, da sich die meisten Forscher in dieser Fachrichtung an klassischer Musik orientieren und in ihren Büchern ein gewisses Interesse dafür voraussetzen.

Levitin erklärt komplizierte Sachverhalte verständlich und kommt dabei ohne Abbildungen aus. Die Übersetzung ist nicht immer brillant, aber die englischen Idiome lassen sich eben nicht so leicht ins Deutsche übertragen. An manchen Stellen geht Levitin (oder der Übersetzer) mit den Begriffen ein bisschen lax um; so setzt er zum Beispiel "Oktave" (ein Intervall, das acht Tonstufen umfasst) mit "Harmonischer" (dem ganzzahligen Vielfachen einer Grundfrequenz) gleich. Aber das schadet dem gut und kompetent geschriebenen Werk nicht besonders. Diese Lehrstunde über die Erklärungskraft der Kognitionspsychologie ist ein Muss für alle musikinteressierten Studenten und Fachleute.
  • Quellen
Gehirn&Geist 04/2010

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