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Das Zerfallen einer Biografie

Planck-Konstante, Planck’sche Strahlungskurve, Max-Planck-Gesellschaft – das wissenschaftliche Vermächtnis des großen Physikers ist weitaus bekannter als die Geschichte seines Lebens, das fast neun Jahrzehnte voller dramatischer Entwicklungen überspannt: In Max Plancks Geburtsjahr 1858 war von flächendeckender Elektrifizierung noch nicht die Rede; als er 1947 starb, hatte das Atomzeitalter bereits begonnen.

Im Gegensatz zum Weltbürger und Nonkonformisten Albert Einstein taugt der preußische Professor nicht recht zum Popidol der Wissenschaft. Plancks Karriere verlief in geordneten Bahnen, und seine Forschungen waren ebenso wie sein wissenschaftspolitisches Wirken geprägt von Pflichtgefühl und Gründlichkeit.

Die biografische Literatur über Planck ist daher eher spärlich. Die aktuellste umfangreiche Würdigung seines Lebens ist schon über zwanzig Jahre alt und stammt – wie so oft, wenn es um deutsche Physiker des 20. Jahrhunderts geht – von einem Amerikaner, in diesem Fall dem Wissenschaftshistoriker John Heilbron.

Zum 150. Geburtstag 2008 wird es jedoch sicher nicht an entsprechenden Publikationen fehlen. Den Reigen eröffnet der umtriebige Wissenschaftspublizist Ernst Peter Fischer ("Die andere Bildung"), der – so die Verlagsankündigung – "die erste umfassende Biographie des Nobelpreisträgers" vorlegt.

Doch das Werk hält nicht, was es so vollmundig verspricht. Fischer bietet vielmehr biografische, historische und populärwissenschaftlicheVersatzstücke, angereichert mit eigenen Spekulationen zu Themen, die er in anderen Büchern ausführlicher behandelt hat und hier nur andeuten kann. Beispiele sind die "aufschimmernde Nachtseite der Wissenschaft", gemeint: das psychologische Fundament der Forschung, und Parallelen zwischen Kunst und Wissenschaft.

Immerhin räumt Fischer der Physik des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts viel Platz ein. Doch zahlreiche Vorgriffe, Einschübe und Exkurse ("… bei allen Abschweifungen dürfen wir nicht das eigentliche Ziel aus dem Auge verlieren", S. 112) haben mir das Lesen etwas verleidet. So wird nicht recht nachvollziehbar, warum die Vorstellung, Licht bestehe aus diskreten Quanten, damals so abstrus war, dass Planck selbst sie nur in einem "Akt der Verzweiflung" akzeptieren mochte: Nichts anderes war ihm eingefallen, um die Beobachtungen konsistent zu erklären. Fischer dagegen bietet statt einer historischen Rekonstruktion eher den heutigen Blick.

Plancks Physik, insbesondere die theoretische Thermodynamik, ist zudem höchst anspruchsvoll. Gerade deswegen wäre eine Popularisierung, die auch die damalige Perspektive verständlich macht, mehr als verdienstvoll gewesen. Doch können Leser, die von Fischers ausführlicher Erklärung der Potenzschreibweise für besonders kleine und große Zahlen profitieren, auch etwas mit der vertrackten Geschichte von Wärme, Energie, Strahlung und Quanten anfangen?

Fischer behandelt zahlreiche Aspekte, die für Plancks Leben und Werk eine Rolle spielen, doch allzu vieles steht nur nebeneinander. So entsteht zwar eine wissenschaftshistorische Materialsammlung, aber noch keine dicht erzählte Lebensbeschreibung, die ein vollständiges Bild von Plancks zunächst spröde erscheinender Persönlichkeit vermitteln könnte. Die oft schwärmerische Verehrung, die Planck von vielen seiner Kolleginnen und Kollegen entgegengebracht wurde, klingt für heutige Ohren ungewohnt. Fischer Buch hat mir jedoch keine neue und moderne Sicht auf Plancks Persönlichkeit eröffnet.

Viele Nachlässigkeiten machen den Eindruck, das Buch sei der Lektorin zu früh ausden Händen gerissen worden; denn es enthält unnötige Doppelungen (so wird innerhalb von nur zehn Seiten zweimal ausführlich dieselbe Planck-Anekdote erzählt), Bildnachweise führen ins Leere oder zur falschen Seite, und in den Literaturhinweisen ist offensichtlich Text stehen geblieben, der gestrichen werden sollte. Statt den einzelnen Literaturangaben kurze, hilfreiche Erläuterungen folgen zu lassen, bettet Fischer diese in einen zusammenhängenden Text ein. Dennoch verschweigt er einiges, zum Beispiel die zweite Auflage des Planck-Buchs von John Heilbron (englisch 2000, deutsch 2006). Die trägt interessante neuere Quellen nach, die kein sonderlich schmeichelhaftes Licht auf Plancks Wirken im Dritten Reich werfen. Auch dass die Planck-Biografie von Hans Hartmann erstmals 1938 erschien, bleibt unerwähnt, obwohl es zeitgeschichtlich durchaus relevant ist.

den Händen gerissen worden; denn es enthält unnötige Doppelungen (so wird innerhalb von nur zehn Seiten zweimal ausführlich dieselbe Planck-Anekdote erzählt), Bildnachweise führen ins Leere oder zur falschen Seite, und in den Literaturhinweisen ist offensichtlich Text stehen geblieben, der gestrichen werden sollte. Statt den einzelnen Literaturangaben kurze, hilfreiche Erläuterungen folgen zu lassen, bettet Fischer diese in einen zusammenhängenden Text ein. Dennoch verschweigt er einiges, zum Beispiel die zweite Auflage des Planck-Buchs von John Heilbron (englisch 2000, deutsch 2006). Die trägt interessante neuere Quellen nach, die kein sonderlich schmeichelhaftes Licht auf Plancks Wirken im Dritten Reich werfen. Auch dass die Planck-Biografie von Hans Hartmann erstmals 1938 erschien, bleibt unerwähnt, obwohl es zeitgeschichtlich durchaus relevant ist.Zeit über fast vier Jahrzehnte führte, nicht gänzlich unerwähnt lassen.

Plancks Lebensumstände machen es seinen Biografen nicht leicht. Ein Großteil seiner wissenschaftlichen und persönlichen Aufzeichnungen ist der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs zum Opfer gefallen. Doch auch in jüngster Zeit sind neue Quellen erschlossen worden, zum Beispiel der Briefwechsel mit Wilhelm Wien, mit dem ihn trotz großer weltanschaulicher Differenzen ein enges kollegiales Verhältnis verband.

Herausgekommen ist ein Werk, das unentschieden zwischen Biografie und Sachbuch hin- und herpendelt. Zudem hätte das meiste so auch bereits vor zwanzig Jahren geschrieben werden können. Eine verpasste Gelegenheit; schade.

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