Den Schatten aus dem Schatten holen. Faszinierende Einsichten zu einem nicht ganz alltäglichen Phänomen
Schatten sind die Abwesenheit von Licht, also eigentlich nichts, doch dieses Nichts hat es Roberto Casati, Philosoph mit Forschungsschwerpunkt "Analyse von konzeptuellen Strukturen", angetan. Inspiriert durch eine Mondfinsternis, in Paris durchs Wohnzimmerfenster miterlebt, beschloss Casati, ein Buch über die Faszination des Schattens zu schreiben. Jetzt liegt es vor. Wer dachte, das Thema sei nicht faszinierend und könne keine Bücher füllen, sieht sich schnell eines Besseren belehrt. Casati definiert den Schatten, führt aber diese Definitionen durch faszinierende Gedankenspiele — vom Autor „Zwickmühlen“ genannt — kurz danach auch schon wieder ad absurdum. Er zwingt den Leser auf angenehme Art zum Nachdenken. Casati beschreibt, wie Kinder mit Schatten umgehen, wann sie lernen, Schatten als „etwas“ zu begreifen, und wie traurig eine Welt ohne Schatten aussähe. Er zeigt — unter anderem am Beispiel von Platons bekanntem Höhlengleichnis — den Umgang der Philosophen mit dem Phänomen und fasst die Entstehung und die Kulturgeschichte des Schattenspiels gekonnt zusammen. Die zweite Hälfte seines Buches beschäftigt sich dann mit der Astronomie. Viele ihrer Entdeckungen wären ohne Schatten undenkbar gewesen. Sind wir uns dessen bewusst? So wurden die Abstände zwischen Erde und Sonne bzw. Mond mit Hilfe von Schatten errechnet. Die Entdeckung, dass die Erde eine Kugel ist, beruht darauf, dass der Mond sich manchmal im Schatten der Erde befindet. Mit Hilfe von Schatten wurden auch die Berge und Täler auf unserem Mond erstmals beschrieben. Der Ring des Saturns und viele Planetenmonde wurden durch die Schatten, die sie auf ihre Planeten werfen, erst richtig erkannt. "Die Entdeckung des Schattens" ist eine angenehme Lektüre — ein Muss für alle, die an Wissenschaftsgeschichte interessiert sind und Gedankenspiele lieben. Roberto Casati schafft mit seinem Buch etwas, was eigentlich unmöglich ist: Er holt den Schatten aus dem Schatten.
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