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Nachhaltigkeit – ein Begriff, der aus dem Walde kam

"Der Wald soll so bewirtschaftet werden, dass die Nutzung immerwährend, continuirlich und perpetuirlich stattfinden kann." So schrieb Hans Carl von Carlowitz (1645 – 1714) in seinem Buch "Sylvicultura oeconomica" und brachte damit den Gedanken der Nachhaltigkeit zur Sprache – mit weit reichenden Nachwirkungen. Das vorliegende Buch versammelt zum 300. Jahrestag dieses Werks Beiträge von 14 Fachleuten verschiedener Richtungen. Die drei Teile befassen sich mit den historischen Wurzeln des Nachhaltigkeitsbegriffs, der aktuellen Diskussion zum Thema Nachhaltigkeit und der Person von Carlowitz.

Dessen Familie spielt seit dem 14. Jahrhundert eine große Rolle im sächsischen Bergbau- und Forstwesen. Unter den Vorfahren sind zahlreiche Träger von Titeln wie Jägermeister, Forstmeister und Oberforstmeister; auch unter den Verfassern dieses Sammelbands findet sich ein Oberforstdirektor von Carlowitz.

Hans Carl ist das zweite von 17 Kindern. Dem Chaos des ausgehenden Dreißigjährigen Kriegs zum Trotz erhält er eine gute Erziehung, unter anderem am berühmten Gymnasium von Halle. Zwei Studienjahre in Jena schließen auch Vorlesungen über Mathematik ein.

Für die Weiterbildung verlegt er sich aufs Reisen. Nach bedeutenden Städten und Residenzen Deutschlands zieht es ihn Richtung Holland, mit Studienaufenthalten in Utrecht und Leiden. In London erlebt er den Großen Brand vom 2. September 1666 und wahrscheinlich auch ein Jahr später die Zerstörung der englischen Flotte – und damit die Entstehung eines großen Holzbedarfs – durch ein niederländisches Geschwader auf der Themse. Ebenfalls in England begegnet er dem vielseitigen Wald- und Baumfreund John Evelyn, den er jedoch in seiner Schrift nicht erwähnt. Es folgen Nordeuropa und dann Paris, wo er Kontakte mit "vornehmen und gelehrten Männern" hat und erlebt, wie Minister Colbert eine "grande réformation des forêts" verkündet, um den Hochwald vor der Ausplünderung zu retten. Als der 25-jährige Hans Carl nach fünf Reisejahren mit weiteren Stationen in Italien und Malta zurückkehrt, ist er vielseitig gebildet und spricht mehrere Sprachen. Das verhilft ihm zu einer Karriere in sächsischen Staatsdiensten, die 1711 in der Bestallung zum sächsischen Oberberghauptmann gipfelt.

Ein Jahr vor seinem Tod, 1713, erscheint sein Hauptwerk "Sylvicultura oeconomica", ein Lehrbuch über die Nachzucht und Verwendung der Baumarten und über den pfleglichen und haushälterischen Umgang mit dem Wald. Was dieses Werk über ähnliche Publikationen erhebt, ist die Sorge um die Zukunft. Zu dieser Zeit droht großer Holzmangel, und die beiden Hauptverbraucher von Holz, Bergbau und Köhlerei, haben starkes Interesse an einer dauerhaften Holzquelle. Damit diese nicht versiege, sei eine "continuirliche, beständige und nachhaltende Nutzung" geboten, "ohne welche das Land in seinem Esse [seiner Existenz] nicht bleiben kann". Die Förster müssen mit der Natur arbeiten und die Fruchtbarkeit des Bodens bewahren. Das benötigte Holz darf auch nicht einfach von einem anderen Ort geholt werden. Mit der Vorsorge für die "liebe Posterität" bringt von Carlowitz neben Ökologie und Ökonomie auch die Sozialethik ins Spiel.

Rasch übernehmen die Forstleute diese Ideen, vor allem auch den Hinweis auf die Bedeutung der Mathematik. Dies führt zwar einerseits zu den Reinertragstheorien des 19. Jahrhunderts, deren nachteilige Folgen – vor allem die Fichtenmonokulturen – nur schwer zu beheben sind. Andererseits wird die zahlenmäßige Erfassung der Holzvorräte zur Grundlage einer forstlichen Planung nach dem Nachhaltigkeitsprinzip. Dessen wichtigste Faktoren sind:

- langfristiges Denken in die Vergangenheit und die Zukunft,

- Nutzung nicht nach Bedarf, sondern nach den Möglichkeiten von Standort und Bestand – ein Paradigmenwechsel, der sich immer noch nicht durchgesetzt hat,

- Schaffung vielseitiger Waldbestände, um unbekannten zukünftigen Bedürfnissen entgegenzukommen, und

- Schonung der Bodenfruchtbarkeit.

In der weiteren Öffentlichkeit und von der Wissenschaft wurde von Carlowitz nur wenig beachtet. Das geht den Forstleuten bis heute nicht besser. Erst die moderne Umweltschutzbewegung hat die Gedanken des sächsischen Oberberghauptmanns wieder aktuell gemacht.

Die Beiträge des vorliegenden Sammelbands stehen eher nebeneinander, als dass sie sich ergänzen. Dem Menschen von Carlowitz am nächsten kommt noch der Beitrag "Die Sylvicultura oeconomica – eine Rezension aus heutiger Sicht" von Harald Thomasius. Die anderen zeigen immerhin zumeist, wie die heutigen Debatten aus den Ideen dieses Werks Kraft ziehen. Ihre Überlegungen zum aktuellen Nachhaltigkeitsdiskurs sind teilweise sehr tiefgründig und gut gemeint, aber schwer verständlich in ihrer Fachsprache. Nachhaltigkeit wird heute in einem sehr weiten Sinn verstanden: "eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, welche in umfassender Weise die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen", so der Wortlaut der Definition, die auf der UN-Konferenz von Rio 1992 verabschiedet wurde.

Mit dieser Verbreiterung und Vertiefung wird der Begriff der Nachhaltigkeit zunehmend abstrakter und verliert seinen Fußhalt bei von Carlowitz. Einerseits wird er abhängig vom Kontext, andererseits soll er alles Erstrebenswerte der Welt umfassen. Eine Entgrenzung des Begriffs führt aber auch zu seiner Entleerung, wie einzelne Beiträge unfreiwillig dokumentieren.

Was auf von Carlowitz zurückgeführt werden kann, sind Bezeichnungen wie haushälterisch und generationengerecht sowie die Feststellung, dass das Streben nach möglichst geringem Verbrauch und wirksamem Einsatz (Suffizienz und Effizienz) zu sparsamer Holzverwendung führt, Rentabilitätsdenken aber die Zukunft zerstört.

Unter der Überfülle an Büchern zur Nachhaltigkeit ragt das vorliegende heraus durch den konsequenten Bezug auf Hans Carl von Carlowitz und die Vielfalt der Betrachtungsweisen. Ein wertvolles Buch für alle, die mitreden möchten.

  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 08/2013

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