Zuses Muse
Kurz bevor wir am 22. Juni dieses Jahres den 100. Geburtstag von Konrad Zuse feiern, erscheint ein Roman von Friedrich Christian Delius, der aus einem 280 Seiten starken, polternden, nächtlichen Monolog des Erfinders besteht – eine ungewöhnliche und zweifellos bemerkenswerte literarische Form, die im Feuilleton bereits große Aufmerksamkeit gefunden hat.
Über diese Freiheit in der Form hinaus darf ein historischer Roman selbstverständlich auch mit den Fakten kreativ umgehen. Es ist durchaus reizvoll, auszuspinnen, was gewesen wäre, wenn gewisse Ereignisse anders als in der Realität stattgefunden hätten. Eine solide Recherche ist aber immer unabdingbar, vor allem wenn es um weltbekannte Persönlichkeiten und ihre Wirkungsgeschichte geht. An der Stelle enttäuscht das vorliegende Werk, da es nur Legenden, Mythen, Altbekanntes und dazu leider viel Falsches wiederholt oder erneut aufwärmt.
Gleich am Anfang des Buchs verrät der fiktive Zuse, dass er während des Baus seiner Rechenmaschinen Ada Lovelace heimlich zu seiner Muse gemacht hat – rein in Gedanken natürlich, wie Don Quijote seine Dulcinea, denn Ada lebte von 1815 bis 1852. Dies ist eine hübsche Fiktion und eine schöne Metapher. Nur hat Zuse in Vorträgen und Schriften wiederholt darauf hingewiesen, dass er die Arbeiten von Charles Babbage, dem Erfinder der Differenz- und der Analytischen Maschine, bis 1945 und darüber hinaus nicht kannte. Wie hätte ihn dann Ada Lovelace inspirieren können, die der wissenschaftlichen Nachwelt nur ihren Kommentar zur nie gebauten Analytischen Maschine Babbages hinterlassen hat (Spektrum der Wissenschaft 7/1999, S. 80)? Als Tochter des Dichters Lord Byron war sie bereits als Kind eine Zelebrität, aber bis 1900 weit gehend in Vergessenheit geraten.
Erst der Anfang des Computerzeitalters machte aus ihr wieder einen Star. Von der einfachen Vertrauten von Babbage avancierte sie zur "Assistentin", von der Übersetzerin einer Beschreibung der Analytischen Maschine zu einer mit allen Wassern gewaschenen Mathematikerin und gar zur ersten Programmiererin der Welt.
All diese Legenden hat Dorothy Stein bereits 1985 in "Ada: A Life and a Legacy" als unhaltbar entlarvt. In akribischer Archivarbeit wies sie nach, dass Ada in der einfachen Algebra große Schwächen aufwies und das gepriesene erste Computerprogramm der Welt nicht von ihr, sondern von Babbage stammte. Steins Buch konnte jedoch der Legende von Ada nichts anhaben, und fast ein Vierteljahrhundert später führt Delius sie in neue Höhen.
Was wir von ihm über Zuse selbst und seine Maschinen erfahren, steht für jedermann seit 1970 in Zuses Autobiografie "Der Computer, mein Lebenswerk" zu lesen. Mir ist kaum ein wirklich interessantes Detail aufgefallen, das nicht schon dort erwähnt ist. Zuses Beschreibung seiner Sturm- und Drangzeit ist irritierend modern und klingt, als wäre er bereits damals Mitglied im Chaos Computer Club gewesen: "Wir bauen drei Speicherblöcke mit vierundsechzig Wörtern zu je zweiundzwanzig Bits, verbinden diese mit einem Wählwerk zur Speicherung der binären Gleitkommazahlen." Leider haben die Wörter Speicherwort, Bit und Gleitkomma sich erst nach dem Krieg eingebürgert, und dies zuerst in den USA.
Weitere Mythen finden sich im ganzen Buch verstreut. Über seine erste Maschine, die Z1: "Wenn es mal arbeitet, dann hat es schneller und genauer Wurzeln gezogen als jedes andere Rechengerät." In Wirklichkeit konnte erst die Z3 von 1941 Wurzeln ziehen (Spektrum der Wissenschaft 5/1997, S. 54). Oder: "Tatsache ist, wir sind die Ersten oder mit die Ersten gewesen, die seine Revolution [das Binärsystem von Leibniz] in die Praxis umgesetzt haben." Dabei waren schon damals binäre Zähler hinreichend bekannt.
John Atanasoff hatte bereits 1937 die Idee entwickelt, ein binäres Gerät mit sequenzieller Logik zu bauen. Im gleichen Jahr legte Claude Shannon in seiner Masterarbeit am Massachusetts Institute of Technology eine vollständige mathematische Beschreibung von binären Relaisschaltungen vor. Viele andere, nicht nur Zuses Freund Helmut Schreyer in Berlin, arbeiteten in den 1930er Jahren an logischen Schaltungen mit Röhren. Die Komplexität des weltweiten Entstehungsprozesses des Computers wird, wie so oft, auf einen einzigen Ort und einen einzigen genialen Erfinder reduziert.
Auf die Frage aller Fragen antwortet Zuse im Roman mit dem Satz "Ich hatte überhaupt keine Zeit, ein Nazi zu sein". Nach allem, was wir über ihn wissen, stimmt das auch. Zuse war weder Nazi noch Widerstandskämpfer. Er wurde während des Kriegs zweimal von der Front geholt, um Rechenmaschinen – die Sondermaschinen S1 und S2 – für die Nachbearbeitung der Tragflächen von Flugbomben zu entwickeln. Daraus ist nicht mehr zu schließen, als dass sein wissenschaftlicher Beitrag als wichtig empfunden wurde oder er über ausreichend gute Verbindungen zum militärisch-industriellen Komplex verfügte.
Aber Delius geht ein Stück zu weit, wenn er Zuse sagen lässt: "In meinem Freundeskreis hat es keine Parteileute gegeben." Das ist bei etwa sieben Millionen NSDAP-Mitgliedern bis 1945 schon statistisch kaum möglich. Als Zuse an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, der heutigen TU Berlin, studierte, erhielt schon 1931 die NSDAP mehr als 60 Prozent der Stimmen bei den Studentenschaftswahlen. Seit 1983, als Paul Ceruzzi das Buch "Reckoners" vorlegte, ist bekannt, dass Zuses bester Freund Helmut Schreyer NSDAP-Mitglied war – was Zuse in seiner Autobiografie nicht erwähnt.
Die Realität ist jedoch wieder einmal viel komplizierter, als es der Roman uns glauben lässt, und die "faustischen" Komponenten auch viel extremer und bedrückender als die winzigen Details, die aus dem Monolog durchschimmern. So beschäftigte auch Zuse in seinem Betrieb in Berlin- Kreuzberg Zwangsarbeiter. Es ist klar, dass Ada Lovelace in diesem Roman nur als Platzhalterin für eine der beiden Seiten des Schaffungs- und Erfindungsprozesses steht: das erotische, künstlerische, solidarische und "ewig weibliche" gegen das "faustische", ins Unendliche strebende Prinzip. Aber der kundige Leser hätte sich etwas Vielschichtigeres aus dieser Reise durch die Psyche und die Träume eines Konrad Zuse gewünscht. Wie funktioniert Erfindung? Wie viel geht auf das Konto der Besessenheit, wie viel zählt das Ego, wie viel Kunst muss dabei sein?
Verglichen mit den amerikanischen oder britischen Computern waren Zuses Maschinen höchst elegant. Der Erfinder mit dem kleinsten Budget aller Pioniere der Informatik war etwas freier und in diesem Sinn "künstlerischer", da er tatsächlich bei null und ohne Ballast anfing und zu einer Architektur gelangte, die noch heute von Fachleuten als wirklich modern empfunden wird.
Dagegen fühlte sich zum Beispiel Howard Aiken in Harvard bei seinem "Mark I" an die bereits vorhandenen Standardbauteile gebunden. Wenn man die Maschinen Z1, Z3 und Z4 mit einem einzigen Wort beschreiben sollte, wäre dieses Wort nicht "binär" oder "programmierbar", sondern "elegant". Oder, um Goethe den Vortritt zu geben, "ewig weiblich" statt "faustisch".
Zuses Maschinen waren trotzdem nicht wirklich universell – die anderen frühen Maschinen aus den USA übrigens auch nicht. Bedingte Sprünge konnten sie nicht bearbeiten, nur lange Reihen von festen Operationen. Den Fluss der Rechenoperationen umzuleiten, ist selbst für einen modernen Prozessor das schwierigste Problem. Im Roman redet Zuse an vielen Stellen über den "Universalrechner", obwohl es ihm auf die Universalität anfangs gar nicht ankam. Dass nur "ein Draht" für Universalität, das heißt für bedingte Sprünge, fehlte, stimmt nicht, obwohl Zuse sich leider später so ausgedrückt hat. Bereits 1998 habe ich in "Annals of the History of Computing" gezeigt, welche Klimmzüge man machen muss, um die Z3 universell zu gestalten. Und dass ihn jetzt noch die Muse daran gehindert hätte, den Draht zur Universalität zu legen, weil der Computer sich faustisch hätte verselbstständigen können, ist einfach an den Haaren herbeigezogen.
Summa summarum: Der unkundige Leser wird mit diesem Buch vielleicht seinen Spaß haben, vor allem wenn er Zuses Autobiografie nicht kennt. Der kundige Leser bedauert, dass schon wieder alte und neue Legenden in Prosa gedichtet wurden und dass eine Gelegenheit verpasst wurde, tief in den Kopf des berühmten Erfinders einzudringen und aus dieser Warte die künstlerische und faustische Spannung des Schöpfungsprozesses neu zu beleuchten.
Was für eine Ironie! Zuse, der verkannte Erfinder; Zuse, der lange um die Anerkennung der Fachwelt kämpfen musste, dessen Lebenswerk, dem Computer, vom Patentamt die "Erfindungshöhe" aberkannt wurde; Zuse der Unterbewertete, der am Anfang des Romans die Unterbewertung des Jägerschnitzels beklagt, mutiert hier im Roman zum Groupie der "am meisten überbewerteten Persönlichkeit der Computergeschichte", wie Bruce Collier 1990 im Vorwort zu "The Little Engine that Could’ve" Ada Lovelace nannte.
Über diese Freiheit in der Form hinaus darf ein historischer Roman selbstverständlich auch mit den Fakten kreativ umgehen. Es ist durchaus reizvoll, auszuspinnen, was gewesen wäre, wenn gewisse Ereignisse anders als in der Realität stattgefunden hätten. Eine solide Recherche ist aber immer unabdingbar, vor allem wenn es um weltbekannte Persönlichkeiten und ihre Wirkungsgeschichte geht. An der Stelle enttäuscht das vorliegende Werk, da es nur Legenden, Mythen, Altbekanntes und dazu leider viel Falsches wiederholt oder erneut aufwärmt.
Gleich am Anfang des Buchs verrät der fiktive Zuse, dass er während des Baus seiner Rechenmaschinen Ada Lovelace heimlich zu seiner Muse gemacht hat – rein in Gedanken natürlich, wie Don Quijote seine Dulcinea, denn Ada lebte von 1815 bis 1852. Dies ist eine hübsche Fiktion und eine schöne Metapher. Nur hat Zuse in Vorträgen und Schriften wiederholt darauf hingewiesen, dass er die Arbeiten von Charles Babbage, dem Erfinder der Differenz- und der Analytischen Maschine, bis 1945 und darüber hinaus nicht kannte. Wie hätte ihn dann Ada Lovelace inspirieren können, die der wissenschaftlichen Nachwelt nur ihren Kommentar zur nie gebauten Analytischen Maschine Babbages hinterlassen hat (Spektrum der Wissenschaft 7/1999, S. 80)? Als Tochter des Dichters Lord Byron war sie bereits als Kind eine Zelebrität, aber bis 1900 weit gehend in Vergessenheit geraten.
Erst der Anfang des Computerzeitalters machte aus ihr wieder einen Star. Von der einfachen Vertrauten von Babbage avancierte sie zur "Assistentin", von der Übersetzerin einer Beschreibung der Analytischen Maschine zu einer mit allen Wassern gewaschenen Mathematikerin und gar zur ersten Programmiererin der Welt.
All diese Legenden hat Dorothy Stein bereits 1985 in "Ada: A Life and a Legacy" als unhaltbar entlarvt. In akribischer Archivarbeit wies sie nach, dass Ada in der einfachen Algebra große Schwächen aufwies und das gepriesene erste Computerprogramm der Welt nicht von ihr, sondern von Babbage stammte. Steins Buch konnte jedoch der Legende von Ada nichts anhaben, und fast ein Vierteljahrhundert später führt Delius sie in neue Höhen.
Was wir von ihm über Zuse selbst und seine Maschinen erfahren, steht für jedermann seit 1970 in Zuses Autobiografie "Der Computer, mein Lebenswerk" zu lesen. Mir ist kaum ein wirklich interessantes Detail aufgefallen, das nicht schon dort erwähnt ist. Zuses Beschreibung seiner Sturm- und Drangzeit ist irritierend modern und klingt, als wäre er bereits damals Mitglied im Chaos Computer Club gewesen: "Wir bauen drei Speicherblöcke mit vierundsechzig Wörtern zu je zweiundzwanzig Bits, verbinden diese mit einem Wählwerk zur Speicherung der binären Gleitkommazahlen." Leider haben die Wörter Speicherwort, Bit und Gleitkomma sich erst nach dem Krieg eingebürgert, und dies zuerst in den USA.
Weitere Mythen finden sich im ganzen Buch verstreut. Über seine erste Maschine, die Z1: "Wenn es mal arbeitet, dann hat es schneller und genauer Wurzeln gezogen als jedes andere Rechengerät." In Wirklichkeit konnte erst die Z3 von 1941 Wurzeln ziehen (Spektrum der Wissenschaft 5/1997, S. 54). Oder: "Tatsache ist, wir sind die Ersten oder mit die Ersten gewesen, die seine Revolution [das Binärsystem von Leibniz] in die Praxis umgesetzt haben." Dabei waren schon damals binäre Zähler hinreichend bekannt.
John Atanasoff hatte bereits 1937 die Idee entwickelt, ein binäres Gerät mit sequenzieller Logik zu bauen. Im gleichen Jahr legte Claude Shannon in seiner Masterarbeit am Massachusetts Institute of Technology eine vollständige mathematische Beschreibung von binären Relaisschaltungen vor. Viele andere, nicht nur Zuses Freund Helmut Schreyer in Berlin, arbeiteten in den 1930er Jahren an logischen Schaltungen mit Röhren. Die Komplexität des weltweiten Entstehungsprozesses des Computers wird, wie so oft, auf einen einzigen Ort und einen einzigen genialen Erfinder reduziert.
Auf die Frage aller Fragen antwortet Zuse im Roman mit dem Satz "Ich hatte überhaupt keine Zeit, ein Nazi zu sein". Nach allem, was wir über ihn wissen, stimmt das auch. Zuse war weder Nazi noch Widerstandskämpfer. Er wurde während des Kriegs zweimal von der Front geholt, um Rechenmaschinen – die Sondermaschinen S1 und S2 – für die Nachbearbeitung der Tragflächen von Flugbomben zu entwickeln. Daraus ist nicht mehr zu schließen, als dass sein wissenschaftlicher Beitrag als wichtig empfunden wurde oder er über ausreichend gute Verbindungen zum militärisch-industriellen Komplex verfügte.
Aber Delius geht ein Stück zu weit, wenn er Zuse sagen lässt: "In meinem Freundeskreis hat es keine Parteileute gegeben." Das ist bei etwa sieben Millionen NSDAP-Mitgliedern bis 1945 schon statistisch kaum möglich. Als Zuse an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, der heutigen TU Berlin, studierte, erhielt schon 1931 die NSDAP mehr als 60 Prozent der Stimmen bei den Studentenschaftswahlen. Seit 1983, als Paul Ceruzzi das Buch "Reckoners" vorlegte, ist bekannt, dass Zuses bester Freund Helmut Schreyer NSDAP-Mitglied war – was Zuse in seiner Autobiografie nicht erwähnt.
Die Realität ist jedoch wieder einmal viel komplizierter, als es der Roman uns glauben lässt, und die "faustischen" Komponenten auch viel extremer und bedrückender als die winzigen Details, die aus dem Monolog durchschimmern. So beschäftigte auch Zuse in seinem Betrieb in Berlin- Kreuzberg Zwangsarbeiter. Es ist klar, dass Ada Lovelace in diesem Roman nur als Platzhalterin für eine der beiden Seiten des Schaffungs- und Erfindungsprozesses steht: das erotische, künstlerische, solidarische und "ewig weibliche" gegen das "faustische", ins Unendliche strebende Prinzip. Aber der kundige Leser hätte sich etwas Vielschichtigeres aus dieser Reise durch die Psyche und die Träume eines Konrad Zuse gewünscht. Wie funktioniert Erfindung? Wie viel geht auf das Konto der Besessenheit, wie viel zählt das Ego, wie viel Kunst muss dabei sein?
Verglichen mit den amerikanischen oder britischen Computern waren Zuses Maschinen höchst elegant. Der Erfinder mit dem kleinsten Budget aller Pioniere der Informatik war etwas freier und in diesem Sinn "künstlerischer", da er tatsächlich bei null und ohne Ballast anfing und zu einer Architektur gelangte, die noch heute von Fachleuten als wirklich modern empfunden wird.
Dagegen fühlte sich zum Beispiel Howard Aiken in Harvard bei seinem "Mark I" an die bereits vorhandenen Standardbauteile gebunden. Wenn man die Maschinen Z1, Z3 und Z4 mit einem einzigen Wort beschreiben sollte, wäre dieses Wort nicht "binär" oder "programmierbar", sondern "elegant". Oder, um Goethe den Vortritt zu geben, "ewig weiblich" statt "faustisch".
Zuses Maschinen waren trotzdem nicht wirklich universell – die anderen frühen Maschinen aus den USA übrigens auch nicht. Bedingte Sprünge konnten sie nicht bearbeiten, nur lange Reihen von festen Operationen. Den Fluss der Rechenoperationen umzuleiten, ist selbst für einen modernen Prozessor das schwierigste Problem. Im Roman redet Zuse an vielen Stellen über den "Universalrechner", obwohl es ihm auf die Universalität anfangs gar nicht ankam. Dass nur "ein Draht" für Universalität, das heißt für bedingte Sprünge, fehlte, stimmt nicht, obwohl Zuse sich leider später so ausgedrückt hat. Bereits 1998 habe ich in "Annals of the History of Computing" gezeigt, welche Klimmzüge man machen muss, um die Z3 universell zu gestalten. Und dass ihn jetzt noch die Muse daran gehindert hätte, den Draht zur Universalität zu legen, weil der Computer sich faustisch hätte verselbstständigen können, ist einfach an den Haaren herbeigezogen.
Summa summarum: Der unkundige Leser wird mit diesem Buch vielleicht seinen Spaß haben, vor allem wenn er Zuses Autobiografie nicht kennt. Der kundige Leser bedauert, dass schon wieder alte und neue Legenden in Prosa gedichtet wurden und dass eine Gelegenheit verpasst wurde, tief in den Kopf des berühmten Erfinders einzudringen und aus dieser Warte die künstlerische und faustische Spannung des Schöpfungsprozesses neu zu beleuchten.
Was für eine Ironie! Zuse, der verkannte Erfinder; Zuse, der lange um die Anerkennung der Fachwelt kämpfen musste, dessen Lebenswerk, dem Computer, vom Patentamt die "Erfindungshöhe" aberkannt wurde; Zuse der Unterbewertete, der am Anfang des Romans die Unterbewertung des Jägerschnitzels beklagt, mutiert hier im Roman zum Groupie der "am meisten überbewerteten Persönlichkeit der Computergeschichte", wie Bruce Collier 1990 im Vorwort zu "The Little Engine that Could’ve" Ada Lovelace nannte.
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