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Der Wahrheit ins Auge schauen

"Lassen Sie sich genetisch beraten!" Diesen Ratschlag bekommen Patienten immer öfter zu hören. Seit Entdeckung der DNA vor über 50 Jahren hat das Wissen über erblich bedingte Erkrankungen enorm zugenommen. Und mit den wachsenden diagnostischen Möglichkeiten gewinnt die genetische Beratung zunehmend an Bedeutung: Mittlerweile führt man in Deutschland pro Jahr über 100 000 entsprechende Gespräche durch. Die "Genetische Sprechstunde" von Birgit Zirn soll daher Ratsuchenden helfen, Fragen im Zusammenhang mit einer eventuell erblich bedingten Krankheit oder Entwicklungsstörung zu beantworten und mögliche Probleme zu lösen.

Die Autorin ist Fachärztin für Humangenetik und will mit ihrem Buch praxisnah auf eine solche genetische Beratung vorbereiten. Dies gelingt der Autorin recht gut – das Werk ist ein nützlicher Patientenratgeber. Neben der Vorbereitung auf die diagnostische Sprechstunde hilft das Buch Betroffenen auch, die dort erhaltenen Informationen besser zu verstehen.

Zirn geht auf wichtige Fragen ein wie: Was geschieht in einer Genetischen Sprechstunde? Wer sollte eine solche Sprechstunde aufsuchen? Wie kann er sich auf sie vorbereiten? Andere Themen sind globaler. Der Leser erfährt grundlegende Dinge über die Vererbung – beispielsweise über den Aufbau von DNA und Genen, über deren Mutationen und die Möglichkeiten, sie zu vererben. Damit einhergehend lernt der Leser Erkrankungen und Behinderungen kennen, die erblich bedingt sein können, und erfährt, welche Behinderungen sich durch eine vorgeburtliche Untersuchung feststellen lassen können. Der Leser versteht nun, warum ältere Schwangere ein höheres Risiko haben, ein behindertes Kind zu bekommen.

Durch Beispiele aus der Praxis wird das Ganze veranschaulicht. Sie beschreiben typische Verlaufsformen von Erkrankungen. Dies geschieht recht einprägsam im Frage-Antwort-Stil – etwa "Wie häufig sind Fehlgeburten? Welche Ursachen können sie haben?" Ein Informationskasten am Ende jedes Beispiels fasst die wichtigsten Inhalte zusammen, und Abbildungen illustrieren den Text. Darüber hinaus findet der Leser Buchempfehlungen und Internetadressen, unter denen er weitere Informationen erhalten kann. Auch im Anhang sind wichtige Internetseiten zusammengefasst, die die Suche nach einer wohnortnahen Genetischen Beratungsstelle, Schwangerschaftsberatungsstelle oder Selbsthilfegruppe vereinfachen.

Das Buch ist übersichtlich gestaltet und seine Sprache klar wie verständlich. Doch wie die Autorin selbst schreibt, erhebt der Text keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Insbesondere die – frei erfundenen – Fallbeispiele aus der Praxis erscheinen recht willkürlich herausgegriffen. So erwähnt die Autorin etwa den genetisch bedingten Darmkrebs. Hier hätte sie auf alle Fälle darauf hinweisen sollen, dass auch andere Krebsarten – beispielsweise Brustkrebs – eine genetische Ursache haben können. Andererseits ist zu bedenken, dass Humangenetik ein komplexes Gebiet ist, auf dem rege geforscht wird. Daher ist es selbstverständlich, dass ein kurzes Buch mit 146 Seiten nur eine Übersicht geben kann, die nicht allzu sehr in die Tiefe geht.

Ebensowenig ist leider Platz da, um Hoffnung zu geben und Mut zu machen. Aber dies ist auch nicht das Anliegen des Buches. Sachlich und nüchtern – so ist sein Stil. Ziel ist es, grundlegendes Wissen zu vermitteln. Und da Ängste zum Teil auf Unwissenheit beruhen, kann das Buch durch seine Aufklärung Ängste nehmen und Betroffenen helfen, der Wahrheit besser ins Auge schauen zu können.

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