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Heilung im Selbstverfahren

Man stelle sich den Autor dieses Buchs so vor: dynamisch, smart, mit französischem Esprit – und in der Lage, einen Hörsaal im Handumdrehen in Begeisterung zu versetzen. Rund 400000 Mal hat sich das Buch des in den USA und in Paris lebenden Mediziners David Servan-Schreiber allein in seiner Heimat Frankreich verkauft. Verlage in 17 weiteren Ländern erwarben bereits die Übersetzungsrechte.

Das sehr persönliche Werk "Die neue Medizin der Emotionen" hat den Charakter einer Bekenntnisschrift. Ein Superstar der Medizinerzunft, der lange mit Scheuklappen durch die Welt lief, öffnet sich alternativen Heilverfahren.

Eine Indienreise war das Schlüsselerlebnis, das Servan-Schreiber brauchte, um seine alte Weltsicht über den Haufen zu werfen. Hier lernte er traditionelle tibetische Medizin und verschiedene Naturheilverfahren kennen. Eine Erweckung mit Folgen: Seither setzt der Mediziner voll und ganz auf die Kraft unterschiedlicher Mechanismen der Selbstheilung.

Die von Servan-Schreiber favorisierten Verfahren, die nach seiner Aussage ohne zusätzliche Medikamente gesund machen können, richten sich vor allem an unser "emotionales Gehirn", das so genannte limbische System. Dieser menschheitsgeschichtlich sehr alte Teil des Denkorgans regiert unsere Instinkte und Emotionen und konkurriert deshalb permanent mit dem jüngeren, vernunftbegabten Teil des Gehirns, dem Neocortex. Unsere Psyche, so Servan-Schreibers Ausgangshypothese, sei nun ständig bemüht, diese beiden Rivalen zu versöhnen. Versage sie – aus ganz unterschiedlichen Gründen – könnten sich zum Beispiel Depressionen oder Angstzustände entwickeln.

Die sieben alternativen Behandlungsmethoden – die er selbst überschwänglich als "Spitzentechnologien" anpreist – setzen genau hier an. Teilweise handelt es sich einfach um bereits gut bekannte und bewährte Therapieformen: Biofeedback, Akupunktur, Lichttherapie oder regelmäßige sportliche Betätigung. Zwei weitere Ansätze sind zum einen die ausreichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren und zum anderen EMDR, eine bestimmte Form der Traumatherapie. Zu diesen sechs "Körpertherapien" gesellt sich zuletzt die Technik der emotionalen Kommunikation.

Servan-Schreiber versteht es vortrefflich, komplexe physiologische und neuronale Prozesse einfach und anschaulich zu erläutern – wie beispielsweise das Wirken des autonomen Nervensystems mit Sympathikus und Parasympathikus. In seinen Ausführungen über wissenschaftliche Studien und Fallbeispiele schöpft er aus dem Vollen. Dennoch gleitet das Werk immer wieder ins Triviale und Kitschige ab. Würde man – wie an amerikanischen Universitäten üblich – eine Teilnehmerbefragung zur Vorlesung durchführen, erhielte das Plädoyer des Autors für die Kraft der Selbstheilungsverfahren sicher Bestnoten. Inhaltlich bleibt es an manchen Stellen jedoch etwas flach. Trotzdem sollten wir hoffen, dass viele seiner Berufskollegen den Blick über ihren Tellerrand wagen.
  • Quellen
Gehirn&Geist 5/2004

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