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Wer glaubt, wird selig

Welche Rolle spielt der Glaube in einer Zeit, in der nur zählt, was sich wissenschaftlich beweisen lässt? Warum sterben Religionen nicht aus? Sind Gläubige etwa glücklichere, gesündere oder gar bessere Menschen?

In einem spannenden Sachbuch untersucht der Physiker und Wissenschaftsjournalist Ulrich Schnabel das Phänomen des Glaubens aus wissenschaftlicher Perspektive.

Eine der bekanntesten Untersuchungen zu diesem Thema ist das so genannte Gute-Samariter-Experiment. 1973 testeten die amerikanischen Psychologen Daniel Batson und John Darley von der Princeton University in New Jersey, ob sich Theologiestudenten gemäß ihrer christlichen Werte hilfsbereit verhalten. Die Forscher schickten ihre Probanden unter einem Vorwand in ein anderes Gebäude und baten dazu um Eile. Auf dem Weg über den Campus kamen die Teilnehmer dann an einem am Boden liegenden Mann vorbei (ein Assistent der Versuchsleiter), der augenscheinlich Hilfe benötigte. Tatsächlich blieben nur 16 der insgesamt 40 Probanden stehen – die übrigen gingen vorüber.

Nicht nur moralisches Verhalten, auch religiöse Erfahrungen selbst versuchen Naturwissenschaftler wissenschaftlich zu begreifen. Schnabel blickt unter anderem Hirnforschern über die Schulter, die meditierende Mönche im Kernspintomografen untersuchten, um herauszufinden, wie Gebete und Meditation die Hirnaktivität beeinflussen.

Und er besucht den kanadischen Neurologen Michael Persinger, der durch Magnetstimulation des Schläfenlappens bei den meisten Probanden religiöse Erfahrungen oder das Gefühl einer höheren Wirklichkeit erzeugen konnte. Hirnforscherinnen wie Nina Azari von der University of Hawaii glauben trotzdem, dass jedes mystische Erlebnis kulturell geprägt ist: Hat man das Bild des gekreuzigten Jesus noch nie gesehen, werde es einem auch nicht "erscheinen".

Dass Religion die Gesundheit fördert, wurde längst nachgewiesen – über die Gründe gibt es indes nur Spekulationen. Der Religionspsychologe Sebastian Murken stellte fest: "Eine Religion hilft vor allem denen, die stark daran glauben, dass sie ihnen hilft."

Leider kann sich der Placeboeffekt auch ungünstig auswirken: Wenn Gläubige überzeugt sind, dass Gott sie mit einer Krankheit strafen will, dann sterben sie früher. Das belegte eine Studie mit 600 Patienten, die an verschiedenen Erkrankungen litten. Und Schnabel vergisst auch nicht die Schattenseiten des Glaubens wie etwa die Missionierung und Inquisition im Namen der Kirche.

Der Autor streut in das knapp 600 Seiten lange Buch zahlreiche Interviews mit Gläubigen und Bewusstseinsforschern ein. Hirnforscher Wolf Singer berichtet etwa, warum er seit seinem letzten Urlaub viel entspannter ist: Er habe Zenmeditation gelernt. Welche Religion zum jeweiligen Leser passt, kann dieser über einen Selbsttest herausfinden.

Schnabels Fazit: Gläubige sind keine besseren Menschen, sehen aber mehr Sinn im Leben und sind im Durchschnitt gesünder und glücklicher. Seine eigene Position auf der Skala bleibt die des kritischen Betrachters: Die allermeisten Argumente, die für oder gegen den Glauben vorgebracht würden, beruhten ihrerseits auf Glauben und persönlicher Einstellung, so der Autor. Woran auch immer der Leser glaubt – dieses Buch ist lesenswert.
  • Quellen
Gehirn und Geist 5/2009

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