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Zucker, Sex und andere Lustgefühle

Wieder einmal liegt ein neuer Essayband von Manfred Spitzer auf meinem Tisch. Spitzer, Leiter des Transferzentrums für Neurowissenschaft und Lernen in Ulm, hat mehrere Bücher verfasst und moderiert eine wöchentliche Fernsehserie zum Thema Geist und Gehirn. In vielen seiner Bücher verfolgt Spitzer das Ziel, Wissenschaft so zu vermitteln, dass jeder "Normalsterbliche" alles versteht und auch nach der Lektüre weiß, was in der wissenschaftlichen Landschaft zu diversen Gehirnthemen gerade aktuell ist.

"Dopamin und Käsekuchen" enthält 20 Kapitel, die sich mit dem Menschen und seinen diversen Verhaltensweisen auseinandersetzt. Spitzer geht es dabei vor allem darum, "Kenntnisse aus der Neurowissenschaft […] nicht im Elfenbeinturm zu belassen, sondern in die Gesellschaft zu tragen, wo sie Früchte tragen sollen". Vermutlich gerade aus diesem Grunde beschäftigt sich wohl das erste Kapitel des Buchs mit dem heiklen Thema Essen: "Dopamin und Käsekuchen" geht auf das Suchtverhalten ein, das nicht nur immer Alkohol-, Kokain- oder Nikotinsucht umfasst, sondern um ein gerade in den letzten Jahren immer wieder genanntes, aber vielfach nicht als Problem erfasstes Thema: die Esssucht. Spitzer zeigt auf, wie das Gehirn das Essverhalten steuert und umgekehrt von ihm beeinflusst wird. Wichtiger Faktor ist dabei das dopaminerge Belohnungssystem, welches durch angenehme Empfindungen aktiviert wird.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Fernsehen, der darin gezeigten Werbung für ungesunde Nahrungsmittel und den damit verbundenen Verhaltensänderungen unserer Kinder. Natürlich ist das für Spitzer, der in seinen Vorträgen immer wieder berichtet, dass es bei ihm zu Hause keinen Fernseher gibt, ein sehr wichtiges Problem. Daten aus verschiedenen veranschaulichen, dass der Anteil an übergewichtigen Kindern in Deutschland doppelt so hoch ist wie vor 20 Jahren – weltweit liegt die Zahl bei 155 Millionen Kindern im schulfähigen Alter. Dabei gibt es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede, wohl aber bezüglich des Sozialstatus der Kinder. Kinder mit niedrigerem Sozialstatus und aus Migrantenfamilien sind besonders häufig betroffen. Die Studien machen aufmerksam auf die dadurch steigenden Gesundheitskosten und die negativen Auswirkungen auf die Psyche der Kinder. Schweden sollte deshalb als Vorbild dienen: Hier ist jegliche an Kinder gerichtete Werbung verboten. Auch die Briten haben gelernt: Dort ist Werbung für Junk Food in Sendungen vor 21 Uhr seit 2008 untersagt. Und auch Südkorea hat einen entsprechenden Erlass umgesetzt. Spitzer fragt, wann das auch bei uns der Fall sein wird.

Die leidigen Themen Computer (Kapitel 6) und digitale Medien (Kapitel 17) fehlen ebenso wenig. Immerhin ist Spitzer der Ansicht, dass die Computer in der Schule – nach ihrem ersten, doch eher kläglichen Start – eine zweite Chance verdient hätten. Dazu passt das heiße Thema "Spiele", die am Computer oder an Konsolen gespielt werden. Frühere Arbeiten, so Spitzer, hätten gezeigt, dass Spielekonsolen zu schlechten Schulleistungen führen. Dabei ist allerdings nie untersucht worden, ob diese schlechten Schulleistungen schon vorher vorhanden waren oder wirklich erst durch das Spielen auftraten. Eine aktuelle Studie (2010) untersuchte diese Problematik nochmals, konzentrierte sich dabei auf Jungen, da diese sich auffällig mehr mit Spielkonsolen beschäftigten als Mädchen im gleichen Alter. Das Ergebnis eindeutig: Die schulischen Leistungen ließen nach, vor allem im Bereich Lesen und Schreiben.

Ein weiterer interessanter Abschnitt behandelt Depressionen bei Vätern während der Schwangerschaft ihrer Partnerin, nach der Geburt und vor allem im ersten Lebensjahr des Kindes. In "Grün kaufen – egoistisch handeln?" geht es um Selbsterkenntnis und ob eine gute Tat die Wahrscheinlichkeit einer darauffolgenden schlechten Handlung erhöht. Beängstigend ist wiederum der Beitrag "Lithium im Trinkwasser – Lithium ins Trinkwasser?" Studien haben demnach gezeigt, dass der Einsatz des Alkalimetalls in der Psychopharmakotherapie antisuizidale Effekte hat und bei Patienten mit Depressionen sehr wirksam ist. Gerade in Japan- einem Land mit hoher Suizidrate – ist man sehr daran interessiert, diese Ansatz zu verfolgen. Spitzer versucht durch seinen Schreibstil viele Menschen zu erreichen. Die vielen Diagramme, Statistiken und Fachbegriffe sind an manchen Stellen für den normalen Leser jedoch etwas zu viel. Die Lektüre ist also bisweilen schwierig, aber dennoch lehrreich und interessant – und bringt den Leser zum Nachdenken. Insgesamt ist also empfehlenswert.

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