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Die Freude an der Erkenntnis

Von nichts kommt nichts? Weit gefehlt: In der Natur ist es nicht nur möglich, dass aus dem Nichts etwas hervorgeht, sondern völlig normal. Ständig entstehen aus dem leeren Raum Elementarteilchen – ohne besonderen Grund. Auf ähnliche Weise könnte unser Universum vor knapp 14 Milliarden Jahren aus dem Nichts entsprungen sein, ganz ohne Schöpfer. Wie die Geschichte des Kosmos begonnen haben könnte, und was wir über die Entwicklung und die Zukunft des Universums wissen, erzählt der amerikanische Kosmologe Lawrence Krauss in seinem aktuellen Buch auf spannende und amüsante Weise.

Den Schwerpunkt legt er auf den naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozess: Woher wissen wir eigentlich, was wir wissen, und wie können wir prüfen, ob das auch stimmt? Detailliert erklärt er, wie Forscher auf das heute allgemein akzeptierte Urknallmodell kamen und welche Beobachtungen für seine Richtigkeit sprechen. Außerdem erfahren wir, welche Methoden Wissenschaftler anwenden, um die Geometrie des Universums zu vermessen, und warum man heute davon ausgeht, dass ein großer Teil des Kosmos aus Dunkler Materie und Dunkler Energie besteht. Der Autor beschreibt auch, auf welchen Annahmen wissenschaftliche Theorien beruhen und legt ihre Fehlerquellen und Wissenslücken offen. Dabei schont er weder sich noch andere Wissenschaftler und geizt auch nicht mit ironischen Seitenhieben auf Religionen und esoterische Welterklärungen.

Krauss‘ Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Naturwissenschaften und die Freude an der Erkenntnis. Jedem blinden Glauben, insbesondere an einen persönlichen Schöpfer, erteilt er eine klare Absage, die er wissenschaftlich und philosophisch begründet. Insbesondere spricht er sich gegen den Kreationismus aus, dessen Vertreter die Bibel wörtlich auslegen und wissenschaftliche Erkenntnisse verleugnen. Sein Vortrag "A Universe from Nothing", auf dem das Buch basiert, hat in den USA für hitzige Diskussionen gesorgt. Dort haben Kreationisten großen Einfluss. Auch hierzulande ist das Buch hochaktuell, gerade angesichts der Hochkonjunktur von esoterischen Weltbildern.

Die Vorstellung, dass hinter allem ein Sinn stecke, ist tief im menschlichen Denken verankert. Doch fehle ihr jede Grundlage, wie der Autor erklärt: Da Teilchen ständig und ohne jeden Grund aus dem leeren Raum heraus entstehen, sei es physikalisch gesehen vielleicht gar nichts Besonderes, dass das Universum mit uns darin existiere. Zumal in ferner Zukunft wahrscheinlich jede Information darüber, dass es die Menschheit jemals gegeben hat, verschwunden sein werde. Somit kann unsere Existenz laut Krauss keinen tieferen Sinn haben. Genau das eröffne uns aber die Möglichkeit, dem Leben aus uns selbst heraus Bedeutung zu geben.

Abschließende Antworten über den Ursprung aller Dinge finden sich in diesem Buch nicht. Doch der Autor erläutert, warum die Existenz des Universums mit modernen wissenschaftlichen Theorien gut vereinbar und plausibel ist. Selbst die Frage, wie die Naturgesetze entstanden sind, können moderne Theorien der Quantengravitation möglicherweise beantworten.

Krauss‘ Begeisterung für das Thema ist fühlbar. Mit Gedankenspielen und Beispielen aus dem Alltag versucht er, die Themen zugänglich zu machen. So ist schon die Definition, was man unter "Nichts" zu verstehen hat, schwieriger, als man sich das zunächst vorstellt. Philosophische Ausschweifungen regen dazu an, die eigenen Vorstellungen zu überdenken – auch wenn man manchen Argumenten und Schlussfolgerungen des Autors nicht zustimmt. Im Gedächtnis bleiben die persönlichen Anekdoten und unkonventionellen Vergleiche, die der Autor anführt: Da werden Elementarteilchen zu Engeln und Sterne zu Erlösern der Menschheit. Leider ging ein Großteil des ursprünglichen Wortwitzes bei der Übersetzung verloren, und nicht alle Metaphern sind hilfreich. Gut getan hätten dem Werk auch einige zusätzliche Bilder, denn die wenigen Schwarz-Weiß-Grafiken sind zwar nützlich, aber nicht unbedingt ansprechend.

So fesselnd das Buch geschrieben sein mag, es spricht wohl leider nur Menschen an, die naturwissenschaftliche Vorkenntnisse auf Abiturniveau und eine gute Portion Neugier mitbringen. Auf Formeln verzichtet Krauss zwar, doch neigt er mitunter zu umständlichen Formulierungen und schwer verständlichen Abstraktionen. Zusammenfassungen und Hervorhebungen, ein Glossar oder ein Stichwortverzeichnis wären hilfreich gewesen. Auch ein Literaturverzeichnis fehlt. All das macht es Lesern mit wenig Berührung zur Wissenschaft schwer, dem Text zu folgen. Das ist schade, denn das Thema hat durchaus das Potenzial, eine breitere Öffentlichkeit anzusprechen. Doch der Mut, sich an dieses Buch zu wagen, wird belohnt: Neugierige Leser, die nicht erwarten, alles sofort zu verstehen, wird das Buch zum mehrfachen Lesen und zu tiefgehenden Diskussionen inspirieren.

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