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18 Proben aufs Exempel

Viele Mütter und Väter plagen Selbstzweifel. Sind sie gute Eltern? Und was sind eigentlich "gute Eltern"? Eine Flut von Erziehungsratgebern ist Ausdruck dieser Verunsicherung. Der bekannte dänische Familientherapeut Jesper Juul bündelt nun in seinem neuen Buch 18 Coachings, die er zuvor schon in der Zeitschrift "Wir Eltern" veröffentlicht hat. In Form von Protokollen lässt er den Leser an seinen Gesprächen mit Familien teilhaben: Wir begegnen unter anderem Patchworkfamilien, erschöpften Müttern und ungeduldigen Vätern, kleinen Prinzessinnen und Kindern, die nicht ins Bett wollen. Der fragliche Nachwuchs ist im Kleinkindalter, besucht den Kindergarten oder die Grundschule.

"Sie dramatisiert alles, will immerzu die ganze Aufmerksamkeit", berichtet etwa der Vater der sechsjährigen Julia, die vor vier Jahren eine kleine Schwester bekommen hat. Streit und Auseinandersetzungen sind seither in der vierköpfigen Familie an der Tagesordnung. Bei der Beratung baut Juul auf eine klare Sprache und wertschätzende Haltung gegenüber allen Beteiligten.

Sein Ziel: das Verständnis der Eltern für ihre älteste Tochter stärken. Dabei greift er allerdings zu äußerst fragwürdigen Klischees. »In der Psychologie unterscheidet man zwei Typen von Menschen: den nordischen und den südeuropäischen. Julia scheint mir eher der südeuropäische Typ zu sein, bei denen wird es gerne etwas lebhafter, als würde man in der Oper wohnen." Juuls Fazit lautet, die Eltern sollten mit ihrer Tochter wie mit einem guten Freund reden und darauf vertrauen, dass Julia weiß, was sie braucht.

Die Empfehlungen basieren im Wesentlichen auf gesundem Menschenverstand. Kinder bräuchten keine perfekten Eltern, sondern Wegweiser, an denen sie sich orientieren können, glaubt der Familientherapeut. Sie lernen besser durch Beobachtung und Nachahmung als über Erziehungsmaßnahmen. Deshalb möchte Juul, dass die Kinder beim Familiengespräch dabei sind – ganz anders als etwa in Kindertagesstätten üblich. Er geht davon aus, dass Kinder keinen Schaden nehmen, wenn sie erleben, wie ihre Eltern sich einer schwierigen Situation stellen, sondern davon profitieren.

Die Stärken des Buchs liegen in der klaren, einfachen Wortwahl und der optisch ansprechenden, abwechslungsreichen Gestaltung. Zur Übersichtlichkeit trägt bei, dass Juul die 18 Fälle nach dem gleichen Strickmuster behandelt. Zu Beginn schildert er die Familiensituation und zitiert einen Brief der Eltern, dann folgt das etliche Seiten lange Gesprächsprotokoll des zweistündigen Coachings. Zum Abschluss fasst er sowohl seine Empfehlungen als auch das Nachgespräch mit den Eltern zusammen.

Inhaltlich geht Juul einen anderen Weg als viele seiner Kollegen: Er lehnt "Bedienungsanleitungen" für den Umgang mit Kindern ab und verzichtet deshalb auf goldene Erziehungsregeln; stattdessen geht er auf jede Familiensituation individuell ein. Wer auf der Suche nach einer konkreten Lösung für ein bestimmtes Erziehungsproblem ist, kann hier fündig werden. Für Leser, die sich schon viel mit Erziehungsfragen beschäftigt oder gar eines von Juuls zahlreichen anderen Büchern gelesen haben, bringt diese Lektüre jedoch nicht viel Neues.
  • Quellen
Gehirn&Geist 5/2011

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