Ironische Anleitung zum Unglücklichsein
Wenn man das Wort Prophylaxe hört, denkt man an Krankheiten, Störungen und wie man ihnen vorbeugen kann. Eine häufig diagnostizierte Störung ist derzeit das Burnout-Syndrom. Allein im Jahr 2012 verursachte es deutschlandweit Kosten von mehr als 90 Milliarden Euro und ließ zahlreiche Berufstätige als Frührentner aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Davon betroffen sind sowohl Manager als auch Hausfrauen, sowohl Angestellte als Freiberufliche. Die Zahl der Ratgeber, die Tipps zur Vermeidung dieses Erschöpfungszustands geben, ist Legion.
Thomas Bergner greift in seinem Buch eine völlig andere Strategie auf. Er gibt den Lesern eine ironisch gemeinte Anleitung zum Burnout an die Hand – mit witzigen, manchmal sarkastischen Tipps, was man tun muss, um sich das Syndrom einzuhandeln. Ganz wichtig etwa: Sich zielgerichtet überarbeiten und darüber möglichst stark den Kontakt zu Freunden vernachlässigen.
Für Bergner ist Burnout keine Strafe, sondern eine Korrektur. Der ausgebildete Mediziner, Lebens- und Unternehmensberater zeigt, wie sich Menschen selbst Fallen stellen, aus denen sie allein nicht mehr herauskommen. Viele hätten überzogene Ansprüche, vor allem im Berufsleben, und würden Grenzen daher nicht mehr erkennen. Wo früher die kleine Wohnung reichte, müsse jetzt das Luxus-Apartment her, und statt des Kleinwagens müsse es das dicke SUV sein. Beim Versuch, solchen Ansprüchen gerecht zu werden, würden sich die Menschen häufig übernehmen.
Es stimmt nicht, schreibt Bergner, dass nur Schwache an "Psychokram" leiden. Sie merken es nur zu spät oder überspielen es, bis sie nicht mehr können. Viele überlegen dann, wem sie am besten die Schuld zuweisen können, denn wie Bergner ironisch bemerkt: "Eine Opferposition wurde hart erarbeitet, deshalb sollte sie beibehalten werden."
Der Autor führt auf, wer aus seiner Sicht zu den gefährdeten Personen gehört, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Burnout erleiden. Dazu zählten etwa Menschen aus schwierigen Familienverhältnissen. Insbesondere wenn die Mutter, oder andere wichtige Bezugspersonen des Kinds, ihrer Rolle nicht gerecht würden, disponiere dies den Nachwuchs für spätere psychische Störungen. Das kindliche Urvertrauen zentralen Bezugspersonen gegenüber nicht zu enttäuschen, sei für die Ausbildung einer seelisch stabilen Persönlichkeit im Erwachsenenalter entscheidend.
Am Ende des Buchs spricht Bergner die Verantwortung der Arbeitgeber an und stellt klar, dass diese einen großen Einfluss auf das Betriebsklima und die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer haben – etwa durch Arbeitsplatzgestaltung, leistungsgerechte Entlohnung und korrektes, wertschätzendes Verhalten. Der Autor wirft im Hinblick auf das Berufsleben die Frage auf, ob das, was wir heute vielfach als normal empfinden, wirklich normal ist.
Die Diagnose Burnout, so Bergner, eröffne auch Chancen. Denn sie zwinge zur Auseinandersetzung mit sich selbst, da die Lösung der Krise nur durch persönliche Entwicklung möglich sei. Wer stetig über seine Grenzen gehe, wachse über sich hinaus – und genau dieses Hinauswachsen sei das Gefährliche am Burnout.
Das Buch regt auf nicht ganz ernst gemeinte Weise dazu an, einen kritischen Blick auf sich selbst zu werfen. Es macht auf den ersten Blick stutzig, trifft auf den zweiten aber ins Schwarze. Ein mutiges Werk.
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