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Gehaltvolles – vom Entstehungsherd der Entropie

Lässt sich die Geschichte der Entropie schreiben ohne Musils ‘Mann ohne Eigenschaften’? Die Dissertation Christian Kassungs kehrt die Frage der Literaturwissenschaft nach der Bedeutung der Physik für den Roman um. Sie zielt dabei aber – stärker als etwa Formans Thesen zum Einfluss der Weimarer Zeit auf die Quantenmechanik – auf ein gemeinsames „archäologisches Fundament“ von Literatur und physikalischer Entwicklung, auf ihre interdiskursiven Abhängigkeiten. Vergleichbar werden beide Systeme für Kassung dort, wo sie über sich selbst nachdenken: auf der Ebene der Epistemologie und Poetologie. Dort lassen sie sich auf einen gemeinsamen „Entstehungsherd“ hin untersuchen. Die umfangreiche Arbeit analysiert den Entropiediskurs zwischen 1850 und 1940 und arbeitet die Funktionen heraus, die die entsprechenden Epistologeme für Musils ‘Mann ohne Eigenschaften’ erhalten. So wird eine Großstadtbeobachtung als Beschreibung eines thermodynamischen Systems lesbar, der Protagonist Ulrich erscheint als Teil, aber auch als Erzähler von „Entropiegeschichten“ und mehr. Kassung führt diese Stränge zusammen in eine Poetologie des Romans, die in der „Umverwandlung von unterschiedlichstem Wissen in die Reflexion auf dessen epistemologische Bedingungen“ liege. Die Arbeit ist ausgesprochen materialreich und theoretisch wie methodologisch sehr reflektiert. Sie reduziert aber leider selten die Komplexität zugunsten der Klarheit. Die Bandbreite der Bezüge reicht von Foucault, Bachelard und Serres als Grundlagen über Saussure, Castoriadis und Weizsäcker bis zur antiken Rhetorik in den Kapitelüberschriften. Und für den, der noch ein bisschen Atem hat, gibt es noch den Anhang mit „Boltzmanns Epitaph“ und der „Berechnung eines Zerfallskoeffizienten“ ...

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