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In 93 Minuten durch 300 Millionen Jahre

Die Filmdokumentation "Deutschland – von der Urzeit bis heute" kam im Oktober 2014 in die Kinos, damals unter dem Titel "Planet Deutschland – 300 Millionen Jahre". Nun liegt sie als dreiteilige DVD-Kollektion vor. Regisseur Stefan Schneider und Produzent Uwe Kersken komprimieren darin 300 Millionen Jahre Erdgeschichte auf das Format eines Kinofilms, ein durchaus ambitioniertes Unterfangen. Zwar fokussieren sie ihre Aufmerksamkeit auf einen winzigen Ausschnitt des Planeten, jene Gegenden nämlich, die heute den Namen Deutschland tragen. Gewaltig war ihr Vorhaben trotzdem.

Herausgekommen ist ein Bilderrausch aus Naturaufnahmen, Animationen und szenischen Darstellungen. Sie alle beleuchten schlaglichtartig, wie die teils spektakulären Landschaften Deutschlands entstanden; zudem stellen sie herausragende Naturereignisse seit dem Zeitalter des Karbons (360-300 Millionen Jahre vor heute) nach. Anekdoten über Fossilfunde oder rezente Tierarten dienen den Filmemachern als Aufhänger, von denen aus sie in den Stoff überleiten. Der enorme technische Aufwand, um die Dokumentation zu produzieren, erklärt deren relative Kürze. Für insgesamt anderthalb Stunden Filmlänge waren fünf Jahre Produktionszeit erforderlich. Ein ganzes Heer von Mitarbeitern wirkte mit, darunter Archäologen, Geologen, Biologen und Paläontologen, die für Richtigkeit und Aktualität der Fakten sorgen sollten.

Tiefe Griffe in die Trickkiste

Dabei konnten sich die Filmemacher im gut gefüllten Archiv ihres Partners doclights bedienen, das Material von profilierten, weltweit agierenden Naturfilmern enthält. Vorzeitliche Vulkanausbrüche ließen sich so mit Szenen von heutigen darstellen, ebenso wie Bilder von afrikanischen Gehölzen dazu dienten, ehemalige "deutsche" Tropenwälder zu visualisieren. Bei ausgestorbenen Tierarten kommt man damit allerdings nicht weiter. Diese treten uns in der Dokumentation als computergenerierte Wesen entgegen – egal ob Plateosaurus-Giganten, die vor langer Zeit im schwäbischen Sumpf versanken; geflügelte Archaeopteryx, die durch die Lüfte glitten und im Solnhofener Steinbruch erstmals gefunden wurden; oder "Ida", die ältesten bislang bekannten Primaten aus der Grube Messel. Ereignisse der Menschwerdung, mit Vertretern von Homo heidelbergensis und Homo neanderthalensis in den Hauptrollen, haben die Filmemacher szenisch nachgestellt. Diesen Abschnitten kommt in der Dokumentation allerdings unverhältnismäßig viel Raum zu.

Eindrucksvoll zeigt der Film, dass der jetzige Zustand unserer Gesellschaft ohne die zurückliegenden 300 Millionen Jahre undenkbar wäre. Was heute Deutschland ist, lag einst am Äquator und bewegte sich von dort mittels Plattentektonik an die derzeitige Position. Dabei hinterließen die ehemals riesigen Farnbaumwälder des Karbons jene Steinkohle, die wir heute zutage fördern und die maßgeblich den Prozess der Industrialisierung ermöglicht hat. Die Auffaltung der Alpen mit ihren kolossalen Salzlagerstätten war eine mindestens ebenso folgenreiche Entwicklung.

Europa als vorübergehendes Gebilde

Dem ursprünglichen Kinofilm hat der Verlag weiteres DVD-Material zur Seite gestellt – eine nachvollziehbare Entscheidung. Denn die 90-minütige Zusammenfassung derart langwieriger und komplexer Prozesse kann die gewaltige Zeitspanne nicht erschöpfend behandeln. Beim Zusehen bekommt man unweigerlich Lust auf mehr. Die Zusammenstellung der Zusatzinhalte wirkt allerdings ein wenig merkwürdig. Da sind Aufnahmen des bekannten Naturfotografen Norbert Rosings, die man wahlweise mit Lounge-Musik unterlegt oder von Rosings etwas steif kommentiert betrachten kann. Nach dem opulenten Film wirken sie behäbig, können aber dennoch durch ihre Meisterschaft begeistern. Da ist eine dreiteilige Doku über die Entstehung Europas, 2012 erstmals ausgestrahlt. Sie weitet den Blick auf den ganzen Kontinent aus und macht deutlich: Europa, wie wir es heute kennen, gab es früher nicht und wird es in ferner Zukunft nicht mehr geben. Sei es, weil die eurasische Platte weiterwandert und unter andere klimatische Verhältnisse gerät, sei es, weil sie von gewaltigen Vulkanausbrüchen zerrissen und verformt wird.

Innerhalb der dreiteiligen DVD-Kollektion treten zahlreiche Redundanzen auf. Sie stören auf Dauer und lassen den Wunsch nach einer Vertiefung des Themas entstehen. Filmemacher und Verlag hatten ein Werk für die ganze Familie angestrebt. Trotz einiger Schwächen ist ihnen eine sehenswerte Sammlung für ein breites, interessiertes Publikum gelungen. Der Preis von rund 60 Euro ist allerdings stolz.

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