Plauschen über moderne Physik
Der bekannte Astrophysiker und Naturphilosoph Harald Lesch widmet sich in diesem Videoseminar einem spannenden Thema: der Vereinigung der Feldtheorien mit der Kosmologie zu einer "Theorie von Allem". Der Versuch, dorthin vorzustoßen, führt unter anderem zu Stringtheorie und Supersymmetrie. Deren Vorhersagen lassen sich großteils nicht mehr experimentell prüfen. Man kommt hier an die Grenze der physikalischen Erkenntnis. Es ist, wie es auf der DVD-Hülle heißt, "der Endpunkt des menschlichen Forschens".
So ziemlich jede(r) an Physik Interessierte dürfte Lesch aus dem Fernsehen kennen. Typisch für ihn sind Solovorträge an der Tafel – ein Konzept, dem er in "Limit" treu bleibt. 65 Minuten lang doziert er vor schmucklosem Hintergrund, schreibt hin und wieder einzelne Wörter an oder zeichnet minimalistische Skizzen. Die Kamera ist die ganze Zeit auf ihn gerichtet.
Im Sauseschritt durch den Stoff
Lesch beginnt mit den frühen Arbeiten zur Quantenphysik, befasst sich mit spezieller und allgemeiner Relativitätstheorie und geht weiter zur Planck-Skala. Später thematisiert er den Aufbau der Materie und stellt die fundamentalen Wechselwirkungen vor: Gravitation, Elektromagnetismus, schwache und starke Kernkraft. Er sagt einiges über kraftvermittelnde und "substanzbildende" Elementarteilchen (Bosonen und Fermionen). Schließlich widmet er sich dem Bestreben der Physiker, die fundamentalen Wechselwirkungen zu einer "Urkraft" zu vereinigen. In dem Zusammenhang streift er Stringtheorie und Supersymmetrie.
Wie gewohnt pflegt Lesch eine salopp-schulmeisterliche Attitüde und gibt sich scherzhaft plaudernd. Hin und wieder streut er Witzchen ein und "ermahnt" sein Publikum, ihm aufmerksam zuzuhören. Das ist mal mehr und mal weniger lustig. Mitunter wirkt es bemüht locker.
Nicht ganz klar ist, an wen sich der Astrophysiker richtet. Laien dürften Mühe haben, ihm zu folgen. Vom Urknall über die Raumzeitgeometrie bis zu Extradimensionen reißt er ein Thema nach dem anderen an und steigt in keins davon tiefer ein. Sein Vortrag kommt häufig vom Hölzchen aufs Stöckchen, die inhaltlichen Übergänge sind manchmal schwer nachvollziehbar. Wenn Lesch wie selbstverständlich von "Ruhemasse", einer "flachen Welt" oder "dem Rutherford" spricht, ohne das zu erklären, geht er offenbar davon aus, dass sein Publikum weiß, was er meint. Und wenn er betont, dass die Stringtheorie elf oder mehr Dimensionen benötige, erfährt man weder das Warum noch das Wie. Lesch zielt anscheinend auf thematisch Vorgebildete. Denen kann er aber kaum Neues bieten, denn sein Vortrag dreht sich fast ausschließlich um etablierten Stoff.
Ohne Hilfestellung
Angesichts des komplexen Themas verwundert es, dass die DVD keinerlei Begleitmaterial bereithält, um den Stoff zu veranschaulichen. Der Verlag hätte wenigstens die üblichen Visualisierungen von Raumzeitgeometrien anbieten können. Auch Lesch selbst unternimmt keinen Versuch, etwas Entsprechendes an die Tafel zu zeichnen.
Der Minimalismus, den man von seinen Fernsehauftritten kennt, hat zweifellos Charme. In "Limit" allerdings ist er dermaßen auf die Spitze getrieben, dass er schon fast in Lieblosigkeit umschlägt. Irgendwann dröhnt etwas im Hintergrund, dann bimmeln ferne Glocken, dann wieder ist das Kamerabild geraume Zeit unscharf. Anscheinend haben die Filmemacher es nicht für wichtig befunden, solche Störungen aus dem Video herauszuhalten.
Am interessanten wird der Vortrag in den letzten fünf Minuten. Hier legt Lesch dar, dass die Physik sich heute der Grenze nähert, ab der Fundamentalfragen nicht mehr experimentell beantwortet werden können. Sie müsse sich daher eventuell von grundlegenden Fragen abwenden. Stattdessen könne sie dazu übergehen, komplexe Systeme wie das Klima und das System Erde in den Fokus zu rücken, denn "hier ist unser Knowhow viel schlechter".
Mit 15 Euro ist die DVD zwar nicht sehr teuer. Doch gemessen am Gebotenen ist der Preis recht hoch. Für das Geld kann man heute mehr erhalten als eine gute Stunde nüchternes Frontalseminar, das inhaltlich eher an der Oberfläche bleibt und ohne Begleitmaterial daherkommt.
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