Geflügelte Mitbewohner
Regisseur Jan Michael Haft, vielfach ausgezeichneter deutscher Dokumentarfilmer, hat ein neues Werk vorgelegt. Diesmal widmet er sich unserer heimischen Insektenwelt. Sein Film "Wildbienen und Schmetterlinge" besteht aus zwei Teilen. Der erste namens "Biene Majas wilde Schwestern" widmet sich den Wildbienen, der zweite mit dem Titel "Kinder der Sonne" den Schmetterlingen.
Gleich zu Beginn räumt der Regisseur mit einem verbreiteten Missverständnis auf. Viele Menschen nehmen an, dass es in Mitteleuropa nur eine Bienenart gebe, die Honigbiene (Apis mellifera), da sie nur diese kennen. Haft klärt darüber auf, dass in der Region noch 560 weitere Wildbienenarten leben und dass es die Insekten bereits seit der Saurierzeit gibt. Da wären zum Beispiel die Samt-, Seiden-, Mauer-, Pelz- oder auch die Wespenbienen. Die meisten von ihnen leben nicht in Kolonien, sondern als Einzelgänger. Als Zuschauer(in) erfährt man viele interessante Details, etwa dass sich die Bienen im Flug elektrisch aufladen, so dass ihnen der Pollen entgegenfliegt.
Verhängnisvolle Spezialisierung
Immer wieder betont die Dokumentation, wie wichtig die Bienenerhaltung ist und wie der Mensch positiv zu ihr beitragen kann. So blühen Pflanzen in der Nähe von aufgestellten Bienennisthilfen besonders üppig, weil sie von den dort ansässigen Insekten bestäubt werden. Deshalb gibt es dort, wo viele Wildbienen leben, eine reiche Obsternte – eine Win-win-Situation. Umgekehrt sterben, wo Pflanzen eingehen, auch die Bienen. Der Film zeigt, was es für Wildbienen bedeutet, wenn der Mensch Wildwiesen zu Agrarflächen macht, Wälder immer homogener werden und Feuchtwiesen verschwinden. So benötigt die Mohnbiene die Blätter der gleichnamigen Blume, um damit ihre Brutröhre auszukleiden. Doch viele Mohnblumen fallen Unkrautvernichtungsmitteln zum Opfer, was langfristig auch für die Mohnbiene das Aus bedeutet. Ferner sind viele Wildbienen auf eine bestimmte Pflanzenart als Pollenquelle spezialisiert, weshalb sie zusammen mit dieser eingehen. Das macht die Anwesenheit der Tiere zu einem Umweltindikator.
"Wildbienen und Schmetterlinge" bezieht die Zuschauer in den Alltag der Insekten ein und lässt sie an deren gesamtem Lebenszyklus teilhaben. Etwa wenn die Schneckenhausbiene, die in Schneckenhäusern nistet, mehr als 100 Transportflüge absolviert, um Baumaterial für ihr Nest zu sammeln, darunter bis zu zehn Zentimeter lange Halme. Auch über die Pflanzen selbst verrät die Dokumentation viel Interessantes. So zeigt die Blütenfarbe einer Pflanze die enthaltene Pollenmenge beziehungsweise das Alter an – bei Kastanien beispielsweise Gelb für viel Pollen und Rot für ein hohes Alter. Die Bienen nutzen das als Wegweiser beziehungsweise als Ampelsystem.
Die Domestikation der Honigbiene war eine der herausragenden kulturellen Leistungen des Menschen, wie der Film darlegt. Die Insekten haben als Bestäuber einen ungeheuren monetären Wert für die Landwirtschaft, der sich auf etwa 14 Milliarden Euro pro Jahr beläuft. Sicherlich nicht der einzige Grund, die rund 800 000 Bienenvölker in Deutschland zu schützen.
Flatternde Grazien
Die Schmetterlinge, um die es im zweiten Teil geht, sind für die meisten Menschen Sympathieträger, was nicht jedes Insekt von sich behaupten kann. Doch auch bei ihnen sind zwei Drittel der Arten gefährdet und teils sogar vom Aussterben bedroht, denn sie leiden ebenfalls unter den anthropogenen Naturveränderungen infolge der Landwirtschaft, etwa unter Monokulturen und Wirtschaftswäldern. Unter den etwa 4000 heimischen Schmetterlingsarten besitzt die größte eine Flügelspannweite von 16 Zentimetern und die kleinste eine von wenigen Millimetern. Wie die Zuschauer erfahren, hat jede Jahreszeit ihre eigenen Schmetterlinge und sind die Larven auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert, während die entpuppten (erwachsenen) Tiere als "Allrounder" keine bestimmte Spezies bevorzugen. Die Raupe des Tagpfauenauges (Aglais io) beispielsweise befällt Brennnesseln. Sie weidet in Gruppen, wodurch benachbarte Brennnesselpflanzen die beim kollektiven Fressen entstehenden Vibrationen registrieren und Abwehrstoffe bilden, die sie von der Fressinvasion schützen.
Schmetterlinge geben über Signalflecken in ihrem Muster Leuchtsignale im ultravioletten Bereich des Lichts ab. Diese sind für uns unsichtbar, nicht aber für Vögel, die im UV-Bereich wahrnehmen können. Federtiere sind deshalb eine große Gefahr für Schmetterlinge. Generell haben es Schmetterlinge, die im Gebirge heimisch sind, etwas leichter, da sich ihr Lebensraum nicht so extrem verändert wie der in bewaldeten Ebenen, auf Lichtungen oder Feuchtwiesen. Auf das letztere Biotop sind zahlreiche Schmetterlingsarten angewiesen, beispielsweise der beliebte Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni) – doch ihr Lebensraum verschwindet. Mehr als eine Million Hektar Wiesen sind zu Maisfeldern umgewandelt worden, und die verbleibenden werden häufig gemäht und gedüngt. Das lässt die Artenvielfalt immer weiter schrumpfen.
"Wildbienen und Schmetterlinge" macht einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, die Natur zu schützen und sich die weit reichenden Folgen ihrer Umstrukturierung klarzumachen. Der Regisseur schafft dies, ohne dabei zu belehren. Vielmehr gelingt es ihm, bei den Zuschauern eine Faszination für die Tiere zu wecken. Der Film ist sehenswert für alle, die sich für Natur interessieren.
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