Kranke Seelen auf der Leinwand
Gibt es so etwas wirklich? Das fragt man sich im Kinosessel, wenn der Autist Raymond in "Rain Man" phänomenale Gedächtniskünste demonstriert. Die meisten Filme konzentrieren sich auf solche spektakulären Fassetten von Seelenleiden, darunter oft jene Gänsehautmomente, in denen der Mensch über sein Schicksal triumphiert. Nur wenige Regisseure konfrontieren ihr Publikum mit der beschwerlichen und zuweilen tristen Realität von psychisch Kranken.
Die Idee hinter diesem Sammelband ist daher gut: 37 Fachleute – überwiegend Psychologen und Psychiater – analysieren 30 Filme auf ihren fachlichen Gehalt. Woran leiden die Charaktere? Entspricht die Darstellung der Realität?
Dustin Hoffman etwa soll sich auf seine Rolle als Autist in "Rain Man" vorbereitet haben, indem er Betroffene studierte. Entsprechend erntete der Film, obwohl er nur den seltenen Fall eines "idiot savants" darstellte, viel Lob vom Fachpublikum – insbesondere für seine für Hollywood untypische Botschaft: Eine schwere psychische Störung ist eben nicht mit einem Roadtrip durch die USA heilbar, die Reise erlaubt Raymond aber, neue Erfahrungen zu machen, wie die Pädagogin Kornelia Steinhardt in ihrer Analyse von "Rain Man" hervorhebt.
Weniger gelungen ist dagegen der Versuch von Gerd Rudolf, eine Diagnose für die Protagonisten in "Frankenstein" zu finden: das Monster und seinen Schöpfer. Der Psychiater erkennt in der hässlichen Kreatur eine schizotype Persönlichkeit; zu deren Kennzeichen gehört unter anderem, empfindsam, sozial isoliert und nicht allzu wortgewandt zu sein.
Natürlich verweist der Autor zugleich auf die anrührende Seite der unglücklichen Gestalt und will seine Diagnose metaphorisch verstanden wissen, "als Illustration pathologischen Erlebens". Dennoch ist diese Etikettierung keine sonderlich sensible Idee für einen Psychiater, denn die Botschaft an Menschen mit einer solchen Diagnose ist problematisch: Dem Autor zufolge beschreibt Frankensteins Monster ihre Persönlichkeit offenbar am besten.
Ganz anders Ulrich Sachsse, der den Prozess des Diagnostizierens in einer spannenden, differenzierten Analyse transparent macht. Objekt seiner Überlegungen ist die Hauptfigur in Roman Polanskis "Ekel", eine emotional labile Frau mit starken Wahrnehmungsstörungen, die von Catherine Deneuve gespielt wird.
Der renommierte Analytiker Sachsse wägt ab, welche psychische Erkrankung das Filmgeschehen am besten erklärt. Eine Diagnose wagt er schließlich nur unter Vorbehalt, indem er die Figur vor dem Hintergrund anderer Filme des Regisseurs deutet.
Leider sind die einzelnen Texte nicht alle gleichermaßen verständlich. Wer etwa Silvia Schneiders schönem Beitrag über die Zwangsstörung von Howard Hughes in Martin Scorseses "Aviator" folgen möchte, sollte zumindest über tiefenpsychologisches Basiswissen verfügen.
Cineasten, die einen neuen Ansatz der Filminterpretation oder -kritik entdecken wollen, werden enttäuscht: Es fehlt eine grundlegende Theorie dazu, wie die psychologische Deutung der Figuren zur Bewertung des Films beitragen könnte. Sowohl für Therapeuten als auch für Filmfreaks eine allzu konzeptlose Sammlung von mal mehr, mal weniger durchdachten Analysen.
Die Idee hinter diesem Sammelband ist daher gut: 37 Fachleute – überwiegend Psychologen und Psychiater – analysieren 30 Filme auf ihren fachlichen Gehalt. Woran leiden die Charaktere? Entspricht die Darstellung der Realität?
Dustin Hoffman etwa soll sich auf seine Rolle als Autist in "Rain Man" vorbereitet haben, indem er Betroffene studierte. Entsprechend erntete der Film, obwohl er nur den seltenen Fall eines "idiot savants" darstellte, viel Lob vom Fachpublikum – insbesondere für seine für Hollywood untypische Botschaft: Eine schwere psychische Störung ist eben nicht mit einem Roadtrip durch die USA heilbar, die Reise erlaubt Raymond aber, neue Erfahrungen zu machen, wie die Pädagogin Kornelia Steinhardt in ihrer Analyse von "Rain Man" hervorhebt.
Weniger gelungen ist dagegen der Versuch von Gerd Rudolf, eine Diagnose für die Protagonisten in "Frankenstein" zu finden: das Monster und seinen Schöpfer. Der Psychiater erkennt in der hässlichen Kreatur eine schizotype Persönlichkeit; zu deren Kennzeichen gehört unter anderem, empfindsam, sozial isoliert und nicht allzu wortgewandt zu sein.
Natürlich verweist der Autor zugleich auf die anrührende Seite der unglücklichen Gestalt und will seine Diagnose metaphorisch verstanden wissen, "als Illustration pathologischen Erlebens". Dennoch ist diese Etikettierung keine sonderlich sensible Idee für einen Psychiater, denn die Botschaft an Menschen mit einer solchen Diagnose ist problematisch: Dem Autor zufolge beschreibt Frankensteins Monster ihre Persönlichkeit offenbar am besten.
Ganz anders Ulrich Sachsse, der den Prozess des Diagnostizierens in einer spannenden, differenzierten Analyse transparent macht. Objekt seiner Überlegungen ist die Hauptfigur in Roman Polanskis "Ekel", eine emotional labile Frau mit starken Wahrnehmungsstörungen, die von Catherine Deneuve gespielt wird.
Der renommierte Analytiker Sachsse wägt ab, welche psychische Erkrankung das Filmgeschehen am besten erklärt. Eine Diagnose wagt er schließlich nur unter Vorbehalt, indem er die Figur vor dem Hintergrund anderer Filme des Regisseurs deutet.
Leider sind die einzelnen Texte nicht alle gleichermaßen verständlich. Wer etwa Silvia Schneiders schönem Beitrag über die Zwangsstörung von Howard Hughes in Martin Scorseses "Aviator" folgen möchte, sollte zumindest über tiefenpsychologisches Basiswissen verfügen.
Cineasten, die einen neuen Ansatz der Filminterpretation oder -kritik entdecken wollen, werden enttäuscht: Es fehlt eine grundlegende Theorie dazu, wie die psychologische Deutung der Figuren zur Bewertung des Films beitragen könnte. Sowohl für Therapeuten als auch für Filmfreaks eine allzu konzeptlose Sammlung von mal mehr, mal weniger durchdachten Analysen.
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