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Quergedacht

Ein Mädchen, das in den 1990er Jahren in Kalifornien geboren wurde und Imani, Ebony, Shanice, Aaliyah oder Precious heißt, hat vermutlich eine schwarze Mutter. Diese wuchs wahrscheinlich im Ghetto auf, wurde schon als Teenager schwanger und besuchte keine höhere Schule – weshalb ihr Einkommen stets miserabel war und bleiben wird. Drittens dürfte diese schwarze Mutter bis heute unverheiratet sein und ihrerseits eine Mutter mit einem typisch afroamerikanischen Vornamen haben.

Soweit Steven Levitt, Ökonom an der Universität Chicago und einer der originellsten Sozialwissenschaftler der Gegenwart. Die Begründung des Autors und seines Ko-Schreibers, des Journalisten Stephen Dubner, für ihre These, dass Vornamen etwas über das Schicksal von Menschen aussagen, lautet: Schwarze Unterschicht-Eltern signalisieren mit der Entscheidung für schwarz klingende Namen, dass sie sich mit der Ghetto-Gemeinschaft solidarisch fühlen und dem eigenen Nachwuchs der gesellschaftliche Aufstieg kaum gelingen könne.

Weiße Eltern vergeben im Gegenzug nicht nur Namen, die "typisch weiß sind", sondern in denen dazu der sozioökonomische Status und das Bildungsniveau zum Ausdruck kommen. Besonders aufstiegsorientierte Eltern bevorzugten Namen, die bei den Oberschichten eben gerade in Mode sind. Dadurch würden diese Namen zur Massenware, bis sie langweilen und aussortiert werden. Levitt und Dubner stellen in "Freakonomics" gesellschaftliche Phänomene vor und erklären deren ökonomischen Hintergrund. Sie analysieren Statistiken, führen zusammen und stellen gegenüber. Und sie verquicken virtuos verschiedene Dinge, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben – etwa die Wohnsituation von Drogendealern mit ihrem nicht ganz legalen Job.

In diesem Fall stützt sich Levitt auch auf Daten des Soziologen Sudhur Venkatesh, der 1989 begonnen hatte, die Lebensbedingungen der Schwarzen in den Slums von Chicago zu untersuchen. Dabei bekam Venkatesh Kontakt zu einer Bande junger Crackdealer, gewann ihr Vertrauen und beobachtete sie sechs Jahre lang aus nächster Nähe.

Als sich Levitt später mit Venkatesh die Aufzeichnungen ansah, machten sie eine verblüffende Entdeckung: Die meisten Dealer lebten damals bei ihrer Mama! Warum? Weil sie das Pech hatten, einer straff hierarchischen Organisation anzugehören, in der sie nur die Position der "Fußsoldaten" einnahmen. Ihr Chef hatte wiederum Bosse über sich, denen er 20 Prozent seiner Umsätze für die Lizenz abtreten musste. Drogenhändlernetzwerke funktionieren also im Wesentlichen wie kapitalistische Konzerne. Am größten sei die Ähnlichkeit mit der Fastfood-Kette McDonald's.

Die Autoren präsentieren ihren Lesern einige solcher hübschen Anekdoten: etwa wie man durch die Analyse von Dating-Websites rassistische Einstellungen zu Tage fördern kann, warum ausgerechnet die Legalisierung der Abtreibung die Kriminalitätsrate senkt, was Lehrer mit Sumo-Ringern und Immobilienmakler mit dem Ku-Klux-Klan gemeinsam haben. Eines der provokativsten Bücher der letzten Zeit!
  • Quellen
Gehirn&Geist 12/2006

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