Aller Anfang
Die Bindung eines Kindes zu seinen Eltern ist für Psychologen und Pädagogen seit jeher ein wichtiges Thema: Schließlich zweifelt niemand an der Bedeutung dieser frühen Erfahrung für das spätere Leben. Trotzdem suchen Wissenschaftler bis heute nach den genauen Umständen unserer ersten Beziehung und nach den Gründen für ihre Stabilität und Wirkung. Lieselotte Ahnert ist Professorin für Entwicklungspsychologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal und hat nun mit "Frühe Bindung" ein Buch herausgebracht, das einen umfassenden Überblick über dieses große Forschungsgebiet verschafft.
Ein Pionier, dem wir auch heute noch einen Großteil unseres Wissens über das Bindungsverhalten verdanken, ist John Bowlby (1907 – 1990). Der englische Arzt und Psychoanalytiker veröffentliche in den 1950er Jahren seine Erkenntnisse zu einem universalen Bindungssystem und schuf damit Theorien, die stetig ergänzt und weiterentwickelt wurden. Die große Stärke des Buchs von Ahnert liegt nun – neben der Aktualität der zitierten Befunde und Aspekte – in der breiten Herangehensweise an das Thema. Neben der klassischen Sicht führender Bindungstheoretiker (etwa Klaus Grossmann oder Heinz Kindler) erweitert die Autorin das Spektrum durch Beiträge aus verwandten Bereichen. Diese beleuchten das Bindungsverhalten aus neuen Blickwinkeln, ohne sich gezwungener-maßen auf Bowlbys Bindungstheorie zu beziehen.
So erfahren wir von dem Verhaltensbiologen Dietmar Todt interessante Einzelheiten über die Beziehungsentwicklung und Vielfalt in den Betreuungsformen verschiedener Affenarten oder lesen von Hellgard Rauh, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Potsdam, aktuelle Ergebnisse zur Bindungsforschung bei Kindern mit einer Behinderung. Die Osnabrücker Pychologieprofessorin Heidi Keller greift dagegen die oft vorgebrachte Kritik auf, die Bindungstheorie sei mit westlichen Augen konzipiert und nicht auf andere Kulturen übertragbar. Sie präsentiert den Lesern eine alternative Sicht auf frühkindliche Erfahrungen, die Formen des Eltern-Kind-Kontakts in Kulturkreisen weltweit betrachtet.
Besonders hervorzuheben ist überdies das Kapitel über die Rolle der Väter. Obwohl bereits John Bowlby die Rolle der primären Bindungsperson nicht zwingend auf die Mutter festgeschrieben hat und es leicht einsehbar scheint, dass auch Väter eine Bindung zu ihren Kindern entwickeln, beschäftigte sich die Forschung in der Vergangenheit überwiegend mit den Müttern. Dabei gehören Menschen zu den gerade einmal fünf Prozent aller Säugetiere, bei denen Väter überhaupt einen Beitrag zur Aufzucht der Nachkommen leisten – einen Beitrag, der zwar verschieden bewertet wird, den man aber mittlerweile als ebenso wichtig einstuft wie den mütterlichen.
Wer Interesse hat an einem breit angelegten, wissenschaftlich fundierten und dennoch vergleichsweise gut verständlichen Überblick über diese spannenden Fragen – die noch lange nicht restlos geklärt sind –, dem sei dieses Buch mit gutem Gewissen empfohlen.
Ein Pionier, dem wir auch heute noch einen Großteil unseres Wissens über das Bindungsverhalten verdanken, ist John Bowlby (1907 – 1990). Der englische Arzt und Psychoanalytiker veröffentliche in den 1950er Jahren seine Erkenntnisse zu einem universalen Bindungssystem und schuf damit Theorien, die stetig ergänzt und weiterentwickelt wurden. Die große Stärke des Buchs von Ahnert liegt nun – neben der Aktualität der zitierten Befunde und Aspekte – in der breiten Herangehensweise an das Thema. Neben der klassischen Sicht führender Bindungstheoretiker (etwa Klaus Grossmann oder Heinz Kindler) erweitert die Autorin das Spektrum durch Beiträge aus verwandten Bereichen. Diese beleuchten das Bindungsverhalten aus neuen Blickwinkeln, ohne sich gezwungener-maßen auf Bowlbys Bindungstheorie zu beziehen.
So erfahren wir von dem Verhaltensbiologen Dietmar Todt interessante Einzelheiten über die Beziehungsentwicklung und Vielfalt in den Betreuungsformen verschiedener Affenarten oder lesen von Hellgard Rauh, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Potsdam, aktuelle Ergebnisse zur Bindungsforschung bei Kindern mit einer Behinderung. Die Osnabrücker Pychologieprofessorin Heidi Keller greift dagegen die oft vorgebrachte Kritik auf, die Bindungstheorie sei mit westlichen Augen konzipiert und nicht auf andere Kulturen übertragbar. Sie präsentiert den Lesern eine alternative Sicht auf frühkindliche Erfahrungen, die Formen des Eltern-Kind-Kontakts in Kulturkreisen weltweit betrachtet.
Besonders hervorzuheben ist überdies das Kapitel über die Rolle der Väter. Obwohl bereits John Bowlby die Rolle der primären Bindungsperson nicht zwingend auf die Mutter festgeschrieben hat und es leicht einsehbar scheint, dass auch Väter eine Bindung zu ihren Kindern entwickeln, beschäftigte sich die Forschung in der Vergangenheit überwiegend mit den Müttern. Dabei gehören Menschen zu den gerade einmal fünf Prozent aller Säugetiere, bei denen Väter überhaupt einen Beitrag zur Aufzucht der Nachkommen leisten – einen Beitrag, der zwar verschieden bewertet wird, den man aber mittlerweile als ebenso wichtig einstuft wie den mütterlichen.
Wer Interesse hat an einem breit angelegten, wissenschaftlich fundierten und dennoch vergleichsweise gut verständlichen Überblick über diese spannenden Fragen – die noch lange nicht restlos geklärt sind –, dem sei dieses Buch mit gutem Gewissen empfohlen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.