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Denk mit!

Seit Menschengedenken fragen wir uns, was "Bewusstsein" bedeutet und woher wir wissen, wer wir sind. Philosophen antworten völlig unterschiedlich darauf. Keiner der Meisterdenker kann restlos überzeugen, früher oder später tauchen in jeder kunstvollen Argumentation Widersprüche auf. Zuweilen klingen die Erklärungen so exotisch und konstruiert, dass sie sich kaum mit unserem Alltag oder den Ergebnissen der Naturwissenschaften verbinden lassen.

John Searle, Professor für Philosophie an der University of California in Berkeley, will mit seinem neuen Buch nun endlich Klarheit schaffen. Um zu zeigen, wie man das Problem richtig angeht, räumt er mit rund 400 Jahren Philosophiegeschichte auf und sortiert alle abwegigen Theorien aus. Das kommt einer Revolution gleich: Searle hält viele bisherigen Überlegungen für unbrauchbar und demontiert die alte Terminologie.

Den Urvater der modernen Philosophie, René Descartes, bezeichnet Searle als "Katastrophe", die nur Verwirrung stiftete. Schließlich würden wir uns seit diesem intellektuellen Irrläufer mit Vokabeln wie "mental" und "physisch" quälen, die einen Gegensatz vorgaukeln, wo in Wahrheit gar keiner existiert. Diese Polarität gelte es zu überwinden – weg mit dem theoretischen Ballast, ob Dualismus oder Materialismus. Doch welchen Ersatz bietet Searle für die alten Lehren?

Auf einen neuen "-ismus" mag auch er nicht verzichten: den "Biologischen Naturalismus". Der Philosoph nähert sich der Neurobiologie an, indem er den Geist anhand von Hirnprozessen zu erklären versucht. Er deutet ihn als emergentes Phänomen: Die von Biologen postulierten, neuronalen Korrelate des Bewusstseins zu identifizieren ist für Searle der erste Schritt zu einer umfassenden Theorie des Geistes.

Der Autor verfolgt mehrere Ziele. Er will den Leser informieren – dies gelingt ihm tadellos, sodass auch philosophische Laien die Argumentation nachvollziehen können. Mancher erkennt dabei vielleicht zum ersten Mal, wie Philosophen ein Problem durchdenken. Aber Searle will auch Antworten geben. Hier kann er trotz rhetorischen Geschicks nur teilweise überzeugen: Da er sich auf die Neurobiologie mit ihren vielen ungelösten Problemen beruft, bemüht er oft Glauben und Spekulation statt sicherer Argumente.

Sein Buch bleibt dennoch lohnenswert, denn es spornt den Leser zum Nachdenken an und macht Appetit auf weitergehende Deutungen.
  • Quellen
Gehirn&Geist 10/2006

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