Lobenswertes Bemühen
Können Evolutionsbiologen und Theologen vernünftig miteinander reden? Dieser Frage widmete sich eine Ringvorlesung im Studium generale der Technischen Universität Dresden, aus welcher der vorliegende Sammelband hervorgegangen ist. Joachim Klose von der Konrad-Adenauer-Stiftung und Jochen Oehler vom Verband der Biologen (VBIO) hatten ihren Referenten das Ziel vorgegeben, theologische und biologische Perspektiven in Einklang zu bringen, "Erkenntnisse der Naturwissenschaften und die Glaubenswahrheiten der Religionen auf ihr Zusammenspiel hin zu überprüfen, um gemeinsam verantwortlich die Zukunft gestalten zu können" (Vorwort).
Zunächst haben die Theologen das Wort. Ihnen ist erkennbar bewusst, wie immens groß die "Zumutung des Glaubens" heute durch die Erkenntnisse der Erfahrungswissenschaften geworden ist. Dem entgegnen sie, in Wirklichkeit handele es sich keineswegs um eine Zumutung. Vielmehr sei der Glaube, etwa in Sinnfragen, eine eigenständige Quelle der Gewissheit. Die zentralen Fragen der Religion würden von den Naturwissenschaften nicht berührt.
Meist herrsche bei Naturwissenschaftlern ein naives und falsches Gottesbild vor; auch seien die Schöpfungstexte nicht etwa als überholte Versuche einer Welterklärung zu lesen. Sie seien vielmehr Darstellungen der Urmuster des menschlichen Daseins. Übrigens ist die Idee der Schöpfung aus dem Nichts erst im zweiten nachchristlichen Jahrhundert entstanden.
Im zweiten Teil des Buchs schildern dann vorwiegend Biologen Aspekte der Evolution. Hier wird durch alle Beiträge hindurch klar, dass die darwinsche Theorie nicht geringe emotionale Verwerfungen erzeugt: Das Selbstbild des Menschen ändert sich in fundamentaler Hinsicht, ebenso das Weltbild. Damit nicht genug. Auch die Ethik lässt sich nun funktional betrachten, da die "philosophischen Scheuklappen" abgenommen werden können. Da nimmt es nicht wunder, dass selbst die illusionslosesten Biologen ein emotionales Sträuben gegen diese "Entzauberung" der Welt in sich bemerken – was sie nicht daran hindert, die Eleganz evolutionärer Erklärungen zu bewundern und durch ihre Arbeit weiter zu vertiefen.
Einige Beiträge seien hier stellvertretend für die Vielfalt der behandelten Themen genannt: Josef Reichholf stellt eine interessante Verbindung zwischen dem überreichen Proteinangebot in der Savanne und unserer Zweibeinigkeit her. Franz Wuketits und Hans Mohr gehen auf die Folgen eines darwinschen Weltbilds für Moral und Erkenntnis ein. Wolfgang Nentwig räumt mit dem Mythos vom "edlen Wilden" auf und skizziert einen pessimistischen Ausblick auf uns Menschen als "Bedroher der Schöpfung", der durch rasche Vermehrung und den heutigen exzessiven Ressourcenverbrauch die Tragekapazität der Erde zu erschöpfen droht. Andere Autoren werfen einen detaillierten Blick auf die Gehirn- und Sprachentwicklung, und schließlich fehlen auch Ausblicke auf Politik, Literatur und Technik nicht.
Doch zurück zum roten Faden des Buchs. Im dritten, verbindenden Teil geht es um das Wesen des Menschen: Ist er das berühmte "Mängelwesen", ein "Zigeuner am Rande des Universums", Ausdruck seiner "egoistischen Gene" oder fair denkender Altruist in kleinen Gruppen? Hier findet man das gesamte Spektrum von Antworten, was interessante Vergleiche ermöglicht.
Eine weitere Leitfrage ist die nach den Ursachen des Konflikts zwischen religiösen Schöpfungsideen und der Evolutionstheorie. Herausgearbeitet werden vor allem zwei Punkte: Zum einen kann und will Religion nicht auf Naturerklärungen verzichten. Ihre Erzählungen sind ein Ganzes, aus dem sich nicht einfach Teile zur besseren "Verträglichkeit" herausschneiden lassen. Zum anderen ist mit dem Stichwort "Erzählungen" ein zweiter Streitpunkt benannt, denn die Wege zur Wahrheit könnten unterschiedlicher nicht ausfallen. Auf der einen Seite sind es der Glaube und die Offenbarung, auf der anderen Seite die Beobachtung und das Experiment.
Fazit: Den Leser erwartet ein beeindruckend breites Spektrum an Beiträgen. 25 namhafte Autoren geben den Blick auf ein weites Panorama wissenschaftlicher Erkenntnisse frei. Diese Breite ist die größte Stärke des Buchs – wenn auch bei einigen Beiträgen nicht zu erkennen ist, inwiefern die Autoren überhaupt zu einem konstruktiven Dialog zwischen Religion und Naturwissenschaften, immerhin dem erklärten Ziel der Herausgeber, beitragen.
Das Ziel eines echten Zusammenspiels von Biologie und Religion wird nicht erreicht. Zu verschieden sind die Quellen, aus denen beide Seiten ihre Gewissheiten gewinnen. Zu Recht nennen die Herausgeber ihr Buch "Gott oder Darwin", denn für ein "Gott und Darwin", für ein gemeinsames Arbeiten von Biologen und Theologen an den Schnittpunkten ihrer Forschungsgebiete, ist die Zeit wohl noch nicht gekommen.
Nichtsdestoweniger kann dieser ernsthafte Versuch eines Dialogs als selten genug und deshalb beachtenswert eingestuft werden. Dieser Band ist allen Lesern zu empfehlen, die sich über die Spannungsfelder Evolution und Religion in einer sachlichen, wissenschaftlich fundierten und breit angelegten Diskussion informieren wollen.
Zunächst haben die Theologen das Wort. Ihnen ist erkennbar bewusst, wie immens groß die "Zumutung des Glaubens" heute durch die Erkenntnisse der Erfahrungswissenschaften geworden ist. Dem entgegnen sie, in Wirklichkeit handele es sich keineswegs um eine Zumutung. Vielmehr sei der Glaube, etwa in Sinnfragen, eine eigenständige Quelle der Gewissheit. Die zentralen Fragen der Religion würden von den Naturwissenschaften nicht berührt.
Meist herrsche bei Naturwissenschaftlern ein naives und falsches Gottesbild vor; auch seien die Schöpfungstexte nicht etwa als überholte Versuche einer Welterklärung zu lesen. Sie seien vielmehr Darstellungen der Urmuster des menschlichen Daseins. Übrigens ist die Idee der Schöpfung aus dem Nichts erst im zweiten nachchristlichen Jahrhundert entstanden.
Im zweiten Teil des Buchs schildern dann vorwiegend Biologen Aspekte der Evolution. Hier wird durch alle Beiträge hindurch klar, dass die darwinsche Theorie nicht geringe emotionale Verwerfungen erzeugt: Das Selbstbild des Menschen ändert sich in fundamentaler Hinsicht, ebenso das Weltbild. Damit nicht genug. Auch die Ethik lässt sich nun funktional betrachten, da die "philosophischen Scheuklappen" abgenommen werden können. Da nimmt es nicht wunder, dass selbst die illusionslosesten Biologen ein emotionales Sträuben gegen diese "Entzauberung" der Welt in sich bemerken – was sie nicht daran hindert, die Eleganz evolutionärer Erklärungen zu bewundern und durch ihre Arbeit weiter zu vertiefen.
Einige Beiträge seien hier stellvertretend für die Vielfalt der behandelten Themen genannt: Josef Reichholf stellt eine interessante Verbindung zwischen dem überreichen Proteinangebot in der Savanne und unserer Zweibeinigkeit her. Franz Wuketits und Hans Mohr gehen auf die Folgen eines darwinschen Weltbilds für Moral und Erkenntnis ein. Wolfgang Nentwig räumt mit dem Mythos vom "edlen Wilden" auf und skizziert einen pessimistischen Ausblick auf uns Menschen als "Bedroher der Schöpfung", der durch rasche Vermehrung und den heutigen exzessiven Ressourcenverbrauch die Tragekapazität der Erde zu erschöpfen droht. Andere Autoren werfen einen detaillierten Blick auf die Gehirn- und Sprachentwicklung, und schließlich fehlen auch Ausblicke auf Politik, Literatur und Technik nicht.
Doch zurück zum roten Faden des Buchs. Im dritten, verbindenden Teil geht es um das Wesen des Menschen: Ist er das berühmte "Mängelwesen", ein "Zigeuner am Rande des Universums", Ausdruck seiner "egoistischen Gene" oder fair denkender Altruist in kleinen Gruppen? Hier findet man das gesamte Spektrum von Antworten, was interessante Vergleiche ermöglicht.
Eine weitere Leitfrage ist die nach den Ursachen des Konflikts zwischen religiösen Schöpfungsideen und der Evolutionstheorie. Herausgearbeitet werden vor allem zwei Punkte: Zum einen kann und will Religion nicht auf Naturerklärungen verzichten. Ihre Erzählungen sind ein Ganzes, aus dem sich nicht einfach Teile zur besseren "Verträglichkeit" herausschneiden lassen. Zum anderen ist mit dem Stichwort "Erzählungen" ein zweiter Streitpunkt benannt, denn die Wege zur Wahrheit könnten unterschiedlicher nicht ausfallen. Auf der einen Seite sind es der Glaube und die Offenbarung, auf der anderen Seite die Beobachtung und das Experiment.
Fazit: Den Leser erwartet ein beeindruckend breites Spektrum an Beiträgen. 25 namhafte Autoren geben den Blick auf ein weites Panorama wissenschaftlicher Erkenntnisse frei. Diese Breite ist die größte Stärke des Buchs – wenn auch bei einigen Beiträgen nicht zu erkennen ist, inwiefern die Autoren überhaupt zu einem konstruktiven Dialog zwischen Religion und Naturwissenschaften, immerhin dem erklärten Ziel der Herausgeber, beitragen.
Das Ziel eines echten Zusammenspiels von Biologie und Religion wird nicht erreicht. Zu verschieden sind die Quellen, aus denen beide Seiten ihre Gewissheiten gewinnen. Zu Recht nennen die Herausgeber ihr Buch "Gott oder Darwin", denn für ein "Gott und Darwin", für ein gemeinsames Arbeiten von Biologen und Theologen an den Schnittpunkten ihrer Forschungsgebiete, ist die Zeit wohl noch nicht gekommen.
Nichtsdestoweniger kann dieser ernsthafte Versuch eines Dialogs als selten genug und deshalb beachtenswert eingestuft werden. Dieser Band ist allen Lesern zu empfehlen, die sich über die Spannungsfelder Evolution und Religion in einer sachlichen, wissenschaftlich fundierten und breit angelegten Diskussion informieren wollen.
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