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Mit Herz und Verstand: Carl Sagans letztes Plädoyer für Nachhaltigkeit

Carl Sagan (1934 – 1996) hat in Europa vornehmlich durch seine astronomischen Publikationen („Unser Kosmos“ samt gleichnamiger Fernsehserie, „Contact“ samt gleichnamigem Kinofilm) eine gewisse Bekanntheit erlangt. Aber das steht alles in keinem Vergleich zu dem Status, den Sagan als Wissenschaftler, Philosoph und Gesellschaftskritiker über seinen Tod hinaus in den Vereinigten Staaten genießt. Sein letztes Buch, das nun auf Deutsch erschienen ist, entpuppt sich als eindringlicher Appell an die Menschheit, die existenziellen Probleme, die Industrialisierung und Technologisierung des 20. Jahrhunderts mit sich gebracht haben, nicht länger zu ignorieren, sondern ihre Natur mit den Mitteln der Wissenschaft (Physik, Biologie, aber auch Psychologie) zu ergründen und dadurch Lösungen aufzuspüren. Die Problemliste ist lang, vielfältig sind ihre Einträge: Überbevölkerung, stratosphärische Ozonzerstörung, globale Klimaveränderung, radioaktive Bedrohung durch Kernenergie und -waffen. Entsprechend divers sind die einzelnen Kapitel, die zum Teil aus früheren Publikationen Sagans sowie den Werken seiner Frau, Ann Druyan, entnommen sind. Auch bei emotionalen Themen wie der Abtreibungsfrage argumentiert Sagan stets wissenschaftlich kompetent und sieht sich als Mittler zwischen den verhärteten Positionen (pro life versus pro choice). Der Autor ist stets darauf bedacht, dem Leser eine wissenschaftliche Betrachtungsweise der Probleme nahe zu legen ohne dabei belehrend zu wirken. Mit Beschuldigungen hält er sich zumeist zurück, auch wenn er deutlich zum Ausdruck bringt, dass er die Umweltpolitik der US-Regierung (Nichtratifikation des Klimaabkommens von Rio 1992 — gerade wieder hochaktuell!) für einen folgenschweren Fehler hält. Des Weiteren plädiert er für eine Reduzierung der enormen Rüstungsausgaben, die in friedlicher Grundlagenforschung weitaus besser angelegt seien. Alles in allem liegt hier eine sehr lesenswerte Sammlung von Essays vor, die in drei Abschnitten organisiert („Macht und Schönheit des Quantifizierens“, “Was konservieren eigentlich Konservative?“ und „Herz contra Verstand“) auch den größeren Zusammenhang nicht vermissen lässt. Einzig der Titel der deutschsprachigen Ausgabe — das amerikanische Original spielt mit „Billions and Billions“ auf Sagans poetische Ausdrucksweise an, die jedem Fan unvergesslich ist — erscheint vage und nichts sagend: Zwar bindet Sagan auch die Religion(en) in seine Überlegungen ein und erklärt die Ausbreitung von Licht anhand von Wellen auf dem Badewasser, aber dem eigentlichen Anliegen des Buches wird der deutsche Titel, Gott und der tropfende Wasserhahn, nicht gerecht. Es bleibt zu hoffen, dass das Buch trotzdem eine weite Verbreitung findet!

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