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Genie und Wahnsinn. Hirnforscher-Visionen als Thrillerstoff

Weise und unsterblich durch Wissenschaft. Wie das? Ganz einfach: Unser Geist ist beschränkt — wie viel schlauer wäre ein chirurgisch vergrößertes Super-Gehirn! Versagen unsere inneren Organe, so stirbt unser Denkapparat — transplantieren wir es zuvor in einen frischen Körper! Oder noch besser: Messen wir unsere Seelen aus, Neuron für Neuron, und füttern wir sie in fühlende Maschinen, damit sie dort ewig leben! Versponnene Science Fiction? Nicht unbedingt. Zugegeben, Neurologen sind schon zufrieden, wenn ihnen die Verpflanzung eines Stückchens Hirngewebe gelingt. Und mag ein Schachcomputer auch Großmeister besiegen, Freude empfindet er dabei nicht. Doch dabei muss es nicht bleiben, meint so mancher unbescheidene Hirnforscher und Computerwissenschaftler. Bei den Visionären unter ihnen haben sich Jens Johler und Olaf-Axel Burow umgehört — und fanden Stoff für einen humorvollen Thriller über die Größe und den Größenwahn herausragender Wissenschaftler. Eine Serie von Morden an bedeutenden Forschern erregt die Aufmerksamkeit des deutschen Wissenschaftsjournalisten Troller. Ihm wird klar: Alle Opfer hatten Jahre zuvor dieselbe Konferenz besucht, jetzt raubt man ihnen ihr Gehirn. Doch warum? Mit einer hübschen Kollegin im Schlepptau — etwas Liebe darf im Plot offenbar nicht fehlen — begibt sich Troller auf eine Reise kreuz und quer durch die USA. Denn dort lässt sich von (noch) überlebenden Konferenzteilnehmern vieles über ihre Forschungsarbeit und über ihre Fachkollegen erfahren. Nach dem Vorbild tatsächlich lebender Forscher zeichnen Johler und Burow einige unter ihnen. Und sie alle sind besessen von ihren Zukunftsvisionen. Erholen dürfen sich Protagonisten wie Leser in New Yorker Jazzclubs und im French Quarter von New Orleans. Einige paranormale Phänomene und Naturkatastrophen sollen die Dramatik erhöhen. Schade, wird mancher sagen. Denn sind die Wissenschaftlerfantasien nicht schon spannend genug? So oder so ist „Gottes Gehirn“ ein kurzweiliger Roman, bei dem der Kopf nicht zu kurz kommt. Und durch seinen schlichten Aufbau — man reist von Forscher zu Forscher und zuletzt kommt es zum Showdown — ist er eine leichte Lektüre. Nicht alle von den Autoren aufgegriffenen Wissenschaftler-Ideen werden unter Fachleuten gleichermaßen ernst genommen. Marvin Minsky findet mit seinen Vorschlägen zur Übertragung von Geisteszuständen auf emotionale Maschinen weithin Gehör. Und Robert J. White hat Affenköpfe verpflanzt. Warum also nicht bald auch Menschenhirne? Dagegen überzeugt der Physiker Frank J. Tipler wohl nur eine verschwindende Minderheit seiner Kollegen, wenn er zu beweisen trachtet, der Endzustand des Universums nach seinem Schwerkraftkollaps sei mit dem biblischen Gott zu identifizieren. Nun ist es aber vom Wahnsinn zum Genie oft nur ein kurzer Weg. Wem es Vergnügen bereitet, seine Gedanken an den Grenzen des Wissens streunen zu lassen, wird daher mit „Gottes Gehirn“ einige unterhaltsame Stunden erleben. Und wird besser vorbereitet sein auf manches, was uns schon bald blühen könnte.

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