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Nimmermüdes Mahnen

Die "Grenzen des Wachstums" haben schon 1972 die Gemüter erregt. Manche sahen darin ein verkanntes Meisterwerk, andere ein Paradebeispiel für übertriebene Ängste von Umweltfanatikern. Die düsteren Prognosen von damals sind nicht eingetroffen - weil sie von vornherein falsch waren, sagen die einen, weil die Warnungen von damals ihre Wirkung getan haben, sagen die anderen.

Bereits 1992 korrigierten die drei Wissenschaftler in "Die neuen Grenzen des Wachstums " einige ihrer plakativen Prognosen. Dieser Trend setzt sich in ihrem aktuellen Buch fort. Mehrfach betonen sie, lediglich mögliche Szenarien zu entwerfen, um auf strukturelle Mängel aufmerksam zu machen. Aber dem moderateren Ton zum Trotz sehen sie ihre Grundthese erhärtet: Da die Ressourcen der Erde begrenzt sind, steuert die Menschheit mit ihrem unkontrollierten Wachstum auf ein Chaos zu.

Damals arbeiteten die drei Autoren am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Heute ist Jørgen Randers Professor für Politische Analyse an der Norwegian School of Management, Dennis Meadows leitet das Institut für Politik und Sozialwissenschaften an der Universität von New Hampshire, und seine Frau Donella ist 2001 während der Arbeit an dem aktuellen Buch gestorben.

Am Anfang der Darstellung steht die klassische Weisheit des Thomas Malthus (1766 - 1834): Wächst der Bedarf exponentiell, die Ressourcen aber nur linear, muss es früher oder später zur Katastrophe kommen. Ressourcen wie fruchtbare Böden, Weideland, Trinkwasser, Wälder und Wildtiere regenerieren sich bei maßvoller Nutzung. Dagegen können die Vorräte an fossilen Brennstoffen oder Bodenschätzen immer nur abnehmen, auch wenn diese Abnahme in der Praxis kaum wahrzunehmen ist. Ein Rohstoff wie Kupfer ist nicht plötzlich erschöpft, sondern unterhalb einer gewissen Ergiebigkeit lohnt sich der Abbau finanziell nicht mehr. Steigende Preise und verbesserte Techniken verschieben diese Grenzen, beliebig fortsetzen lässt sich solch eine Entwicklung aber nicht.

Auch die natürlichen Senken für Schadstoffe sind in ihrer Kapazität begrenzt, und wieder sind die Grenzen nur unscharf oder verspätet zu erkennen. Griffiges Beispiel der Autoren sind die PCBs (polychlorierten Biphenyle). Durch ihre schlechte Wasser- und gute Fettlöslichkeit reichern sich diese Chemikalien über Jahrzehnte in der Nahrungskette an; erst dann werden sie Mensch und Tier gefährlich.

Da Bevölkerungszahl, ökologische Belastung, Nahrungsmittel- und Energiebedarf sowie weitere Variable sich in äußerst unübersichtlicher Weise beeinflussen, gestaltet sich eine Prognose über die globale Entwicklung komplex und schwierig. Die Autoren verwenden für das Herzstück ihrer Arbeit eine Weiterentwicklung ihres Computermodells "world3". Komplexe Zusammenhänge werden in 200 mathematische Gleichungen übertragen und diese für den Zeitraum 1900 bis 2100 jeweils im Abstand von sechs Monaten ausgerechnet. So ergibt sich für jedes Szenario eine Datenflut von 80 000 Zahlenwerten.

Insgesamt berechneten die Wissenschaftler elf verschiedene Szenarien. So zeigen sie, wie sich einzelne Veränderungen im System auf andere Variablen auswirken.

Das Gesamtbild ist abermals recht düster. Ohne einen Übergang zur nachhaltigen Nutzung aller Quellen und Senken, eine Begrenzung der Bevölkerungszahl und nicht zuletzt ein Umdenken in Bezug auf Wohlstand werde es zu einem Zusammenbruch kommen. Die Bewohner der Industrienationen sollten ihre Bedürfnisse senken, und dieser gesenkte Maßstab müsse wiederum für alle Menschen gelten.

Gerade der letzte Punkt offenbart die Schwächen des Buchs. Die Analysen und Kritiken sind interessant und in ihrer Konsequenz nicht zu unterschätzen. Allerdings trennen die Autoren sie nicht scharf genug von ihren politischen und subjektiven Urteilen. In manchen Fällen stört der erhobene Zeigefinger nur den Lesefluss, an anderer Stelle werden wichtige Fakten unterschlagen. Es ist richtig, dass die Wasserqualität des Rheins erheblich verbessert werden konnte. Etwas ganz anderes ist es aber, wenn 1996 als Beweis der erste Lachs im Oberrhein gefeiert wird, die Millionen eingesetzter Jungfische aber ungenannt bleiben.

An anderer Stelle wird die nukleare Technik pauschal verdammt und als größte Bedrohung der Menschheit klassifiziert. Und die biologische Landwirtschaft sei grundsätzlich finanziell ertragreicher als die konventionelle. Solch strittige Thesen können nicht ohne Erklärung oder Quellenangabe stehen bleiben.

Wichtige Begriffe wie die "Ökobilanz" werden nicht erklärt, stattdessen folgt an dieser Stelle ein pathetisches Plädoyer für Keramiktassen statt Plastikbecher. Der fachlich Versierte empfindet Letzteres als überflüssig, dem Laien müsste hingegen die Ökobilanz erklärt werden.

Äußerst gelungen ist hingegen das Kapitel über das Ozonloch. Dies zeigt, dass sich die Menschheit durchaus ihrer Grenzen bewusst werden kann und willens ist, sie zu berücksichtigen. Auch weil die Warnungen deutlich differenzierter geworden sind, hat "Grenzen des Wachstums" nichts von seiner Brisanz eingebüßt.
  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 1/07

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