Vogelbeobachtung für Einsteiger
Mein erster überraschter Eindruck: Das ist ja ein ganz ungewöhnliches Bestimmungsbuch! Vor mir liegt nämlich kein "Bilderbuch", sondern ein "Lesebuch" – allerdings mit vielen Fotografien, Illustrationen und Tabellen. Und das Konzept ist so naheliegend, dass ich mich immer noch frage, warum ist eigentlich vorher niemand auf die Idee gekommen, einen "Grundkurs Vogelbestimmung" zu schreiben? Die "Einführung zur Beobachtung und Bestimmung unserer heimischen Vögel" erleichtert den Einstieg in das "Birdwatching" erheblich und ist eigentlich eine Voraussetzung für die klassischen Bestimmungsführer.
Die Autoren durchbrechen den üblichen Aufbau der Bestimmungsbücher, die viele kleinen Abbildungen rechts und stichwortartige Texte links haben. Selbstverständlich stellen Thomas Griesohn-Pflieger und seine Kollegen die einheimischen Vögel auch in Bild und Wort vor – sie erklären aber erst einmal ausführlich, wie man die Kunst der Vogelbestimmung am besten, am schnellsten und am effektivsten erlernen kann.
Die Informationen zu Ausrüstung, Literatur, Systematik und Naturschutz sind umfassend und lassen keinen Aspekt aus. Unersetzlich sind jedoch die Ratschläge und Tipps, wo und wann man Vögel am besten findet und wie man lernen kann, sie zu erkennen. Die Autoren vermitteln Kenntnisse, die man aus keinem mir bekannten Vogelbuch lernen kann. Der wichtigste Rat dabei ist: Machen Sie sich mit Referenzarten vertraut! Lernen Sie häufige, leicht zu beobachtende Vogelarten gründlich kennen; denn je vertrauter Sie mit den typischen Arten sind, umso leichter erkennen Sie eine seltene.
Mit der (vorläufigen) Beschränkung auf häufige Vögel unserer Landschaft lässt sich verhindern, dass man sich als Einsteiger mit einer verwirrenden Vielfalt an Arten auseinandersetzen muss; viele bekommt man wahrscheinlich sowieso nicht zu Gesicht – eben weil sie bei uns selten vorkommen. Wenn ich weiß, in Deutschland ist ein kleiner, rüttelnder Greifvogel über einem Feld meistens ein Turmfalke, dann brauche ich mich nicht mühselig durch die Beschreibungen diverser Falken zu arbeiten, die man bei uns sowieso kaum findet. Ich kann mich darauf konzentrieren, wie ein Turmfalke eigentlich aussieht, wie er fliegt, wie er jagt. Und so kann ich mir die typischen Merkmale entsprechend gut einprägen, dass ich einen selteneren Falken sofort als "anders" erkenne. Und eigentlich ist erst zu diesem Zeitpunkt ein Bestimmungsführer mit allen Arten Europas und der angrenzenden Kontinente gefragt. Anhand der Referenzarten kann man auch "Sehen lernen", Lokalisieren, Reportieren und Beschreiben – alles Fähigkeiten, die man braucht, wenn man sich Gruppen anschließt, auf Exkursionen geht oder an ornithologischen Reisen teilnimmt.
Äußerst hilfreich für Anfänger sind zudem die Tipps, auf was man eigentlich achten muss. Orientieren kann man sich beispielsweise an auffälligem Verhalten oder an der Art der Fortbewegung: Amseln und Stare könnte man schon einmal verwechseln. Doch wie laufen sie? Amseln hüpfen, Stare tippeln! Die Autoren empfehlen: Beobachten und üben, bis einem die typischen Charakteristika in Fleisch und Blut übergegangen sind. Mit der Zeit erkennt man dann auf einen Blick "so fliegt nur ein Schwarm Stare".
Sehr praktisch empfinde ich die Hinweise auf die Frage: Wo entdecke ich welche Vögel? Was erwartet mich an einem See? Womit darf ich im Wald rechnen? Oder auf welcher Etage finde ich wen? Vögel halten sich in ihrem Biotop an Lieblingsplätzen auf: Goldammern sitzen lieber in der Spitze eines Busches, Gartengrasmücken bevorzugen die Mitte. Die Rohrammer findet man oben am Schilfstängel, den Rohrsänger ein Stockwerk tiefer. Das ist sehr einprägsam, und in der Natur kann man sich auf Wichtigeres konzentrieren, als im Bestimmungsführer die in Frage kommenden Arten zu vergleichen.
Um den Bestimmungsteil zu prüfen, habe ich mich zum einen für die Gänse entschieden. Saatgans, Blässgans und Graugans im adulten und im Jugendkleid werden anhand der feinen Zeichnungen von Michael Horn einander gegenübergestellt – und die Unterscheidungsmerkmale listet eine Tabelle auf. Wie klar und übersichtlicher ist das! Damit man die Details überhaupt benennen kann, ist die Topografie einer Gans mit den verschiedenen Schwingen und Decken und Federn abgebildet. Zum anderen habe ich mich den Möwen gewidmet, einem Thema, dem ich sonst eher ausweiche. Auch hier erst einmal Abbildungen zur Topografie und einführende Erklärungen; dann werden die häufigsten Möwen als juvenile und adulte Tiere anhand von Fotografien ausführlich in ihren verschiedenen Kleidern vorgestellt; Abbildungsbeschriftungen weisen auf Unterscheidungsmerkmale hin – und die Möwen verlieren ihren "Schrecken".
An dieser Stelle ein Wort zu den Fotografien: Sie sind durchweg sehr gut und aussagekräftig, zum Beispiel die Aufnahme eines gründelnden Schwans. Bis tief ins grüne, klare Wasser sind Hals und Kopf zu erkennen; und man erkennt auch: Ein Schwanenhals ist nicht nur schön, man kann damit in ganz anderen Gefilden Nahrung finden als eine Ente.
Da sich viele Vögel besser am Gesang oder Ruf erkennen lassen, ist dem "Hören lernen" ein eigenes Kapitel gewidmet. Auch hier heißt es üben, üben, üben – daran lassen die Autoren keinen Zweifel und empfehlen Exkursionen oder CDs und verweisen auf alte Volksmundverse wie "Spinne dick, Spinne dick" für den Ruf der Kohlmeise. Auch auf die Frage "Wann kann ich am besten Vögel bestimmen?", gehen die Autoren ein: "In der Morgendämmerung? In der Abenddämmerung? Welche Nachteile hat der Mai? Was spricht für den Winter?"
Die Texte sind leicht verständlich und locker geschrieben. Doch das Buch ist nichts zum kurzen, schnellen Blättern, man kann und sollte sich gründlich und sorgfältig damit beschäftigen. Auf den allerersten, flüchtigen Blick mag es vielleicht leichter und bequemer erscheinen, sich ein klassisches Bestimmungs-"Bilderbuch" zu kaufen und sich das "mühsame" Einlesen zu schenken. Doch es wäre schade, wenn man der Täuschung erläge, mit diesem Buch sei der Aufwand größer. Unterm Strich spart man sich nämlich viel Zeit und Frustration, wenn man sich erst einmal in die Thematik einführen und die Augen öffnen lässt. Schwach empfinde ich nur das Stichwortverzeichnis: Auch wenn sich aus der Systematik oder aus dem Inhaltsverzeichnis ergibt, wo welcher Vogel beschreiben wird – mir fehlt ein Artverzeichnis.
Die Bilderbücher suggerieren (unabsichtlich), es sei ein Kinderspiel, die einzelnen Vögel zu erkennen und zu unterscheiden. Es ist aber "harte Arbeit": Man muss lernen und üben, man muss innehalten und sich auf das Detail konzentrieren. Die Belohnung dafür sind für mich das völlige Abschalten vom Alltag, Erholung und Entspannung in Natur und schöner Landschaft, bei Wind und Wetter. Und wie sehr die Vögel und ihre Umwelt den Autoren am Herzen liegen, wie genussvoll, sinnlich und innerlich bereichernd sie ihre Arbeit empfinden, spürt man immer wieder zwischen den Zeilen.
Mein Fazit: Sehr empfehlenswert!
Die Autoren durchbrechen den üblichen Aufbau der Bestimmungsbücher, die viele kleinen Abbildungen rechts und stichwortartige Texte links haben. Selbstverständlich stellen Thomas Griesohn-Pflieger und seine Kollegen die einheimischen Vögel auch in Bild und Wort vor – sie erklären aber erst einmal ausführlich, wie man die Kunst der Vogelbestimmung am besten, am schnellsten und am effektivsten erlernen kann.
Die Informationen zu Ausrüstung, Literatur, Systematik und Naturschutz sind umfassend und lassen keinen Aspekt aus. Unersetzlich sind jedoch die Ratschläge und Tipps, wo und wann man Vögel am besten findet und wie man lernen kann, sie zu erkennen. Die Autoren vermitteln Kenntnisse, die man aus keinem mir bekannten Vogelbuch lernen kann. Der wichtigste Rat dabei ist: Machen Sie sich mit Referenzarten vertraut! Lernen Sie häufige, leicht zu beobachtende Vogelarten gründlich kennen; denn je vertrauter Sie mit den typischen Arten sind, umso leichter erkennen Sie eine seltene.
Mit der (vorläufigen) Beschränkung auf häufige Vögel unserer Landschaft lässt sich verhindern, dass man sich als Einsteiger mit einer verwirrenden Vielfalt an Arten auseinandersetzen muss; viele bekommt man wahrscheinlich sowieso nicht zu Gesicht – eben weil sie bei uns selten vorkommen. Wenn ich weiß, in Deutschland ist ein kleiner, rüttelnder Greifvogel über einem Feld meistens ein Turmfalke, dann brauche ich mich nicht mühselig durch die Beschreibungen diverser Falken zu arbeiten, die man bei uns sowieso kaum findet. Ich kann mich darauf konzentrieren, wie ein Turmfalke eigentlich aussieht, wie er fliegt, wie er jagt. Und so kann ich mir die typischen Merkmale entsprechend gut einprägen, dass ich einen selteneren Falken sofort als "anders" erkenne. Und eigentlich ist erst zu diesem Zeitpunkt ein Bestimmungsführer mit allen Arten Europas und der angrenzenden Kontinente gefragt. Anhand der Referenzarten kann man auch "Sehen lernen", Lokalisieren, Reportieren und Beschreiben – alles Fähigkeiten, die man braucht, wenn man sich Gruppen anschließt, auf Exkursionen geht oder an ornithologischen Reisen teilnimmt.
Äußerst hilfreich für Anfänger sind zudem die Tipps, auf was man eigentlich achten muss. Orientieren kann man sich beispielsweise an auffälligem Verhalten oder an der Art der Fortbewegung: Amseln und Stare könnte man schon einmal verwechseln. Doch wie laufen sie? Amseln hüpfen, Stare tippeln! Die Autoren empfehlen: Beobachten und üben, bis einem die typischen Charakteristika in Fleisch und Blut übergegangen sind. Mit der Zeit erkennt man dann auf einen Blick "so fliegt nur ein Schwarm Stare".
Sehr praktisch empfinde ich die Hinweise auf die Frage: Wo entdecke ich welche Vögel? Was erwartet mich an einem See? Womit darf ich im Wald rechnen? Oder auf welcher Etage finde ich wen? Vögel halten sich in ihrem Biotop an Lieblingsplätzen auf: Goldammern sitzen lieber in der Spitze eines Busches, Gartengrasmücken bevorzugen die Mitte. Die Rohrammer findet man oben am Schilfstängel, den Rohrsänger ein Stockwerk tiefer. Das ist sehr einprägsam, und in der Natur kann man sich auf Wichtigeres konzentrieren, als im Bestimmungsführer die in Frage kommenden Arten zu vergleichen.
Um den Bestimmungsteil zu prüfen, habe ich mich zum einen für die Gänse entschieden. Saatgans, Blässgans und Graugans im adulten und im Jugendkleid werden anhand der feinen Zeichnungen von Michael Horn einander gegenübergestellt – und die Unterscheidungsmerkmale listet eine Tabelle auf. Wie klar und übersichtlicher ist das! Damit man die Details überhaupt benennen kann, ist die Topografie einer Gans mit den verschiedenen Schwingen und Decken und Federn abgebildet. Zum anderen habe ich mich den Möwen gewidmet, einem Thema, dem ich sonst eher ausweiche. Auch hier erst einmal Abbildungen zur Topografie und einführende Erklärungen; dann werden die häufigsten Möwen als juvenile und adulte Tiere anhand von Fotografien ausführlich in ihren verschiedenen Kleidern vorgestellt; Abbildungsbeschriftungen weisen auf Unterscheidungsmerkmale hin – und die Möwen verlieren ihren "Schrecken".
An dieser Stelle ein Wort zu den Fotografien: Sie sind durchweg sehr gut und aussagekräftig, zum Beispiel die Aufnahme eines gründelnden Schwans. Bis tief ins grüne, klare Wasser sind Hals und Kopf zu erkennen; und man erkennt auch: Ein Schwanenhals ist nicht nur schön, man kann damit in ganz anderen Gefilden Nahrung finden als eine Ente.
Da sich viele Vögel besser am Gesang oder Ruf erkennen lassen, ist dem "Hören lernen" ein eigenes Kapitel gewidmet. Auch hier heißt es üben, üben, üben – daran lassen die Autoren keinen Zweifel und empfehlen Exkursionen oder CDs und verweisen auf alte Volksmundverse wie "Spinne dick, Spinne dick" für den Ruf der Kohlmeise. Auch auf die Frage "Wann kann ich am besten Vögel bestimmen?", gehen die Autoren ein: "In der Morgendämmerung? In der Abenddämmerung? Welche Nachteile hat der Mai? Was spricht für den Winter?"
Die Texte sind leicht verständlich und locker geschrieben. Doch das Buch ist nichts zum kurzen, schnellen Blättern, man kann und sollte sich gründlich und sorgfältig damit beschäftigen. Auf den allerersten, flüchtigen Blick mag es vielleicht leichter und bequemer erscheinen, sich ein klassisches Bestimmungs-"Bilderbuch" zu kaufen und sich das "mühsame" Einlesen zu schenken. Doch es wäre schade, wenn man der Täuschung erläge, mit diesem Buch sei der Aufwand größer. Unterm Strich spart man sich nämlich viel Zeit und Frustration, wenn man sich erst einmal in die Thematik einführen und die Augen öffnen lässt. Schwach empfinde ich nur das Stichwortverzeichnis: Auch wenn sich aus der Systematik oder aus dem Inhaltsverzeichnis ergibt, wo welcher Vogel beschreiben wird – mir fehlt ein Artverzeichnis.
Die Bilderbücher suggerieren (unabsichtlich), es sei ein Kinderspiel, die einzelnen Vögel zu erkennen und zu unterscheiden. Es ist aber "harte Arbeit": Man muss lernen und üben, man muss innehalten und sich auf das Detail konzentrieren. Die Belohnung dafür sind für mich das völlige Abschalten vom Alltag, Erholung und Entspannung in Natur und schöner Landschaft, bei Wind und Wetter. Und wie sehr die Vögel und ihre Umwelt den Autoren am Herzen liegen, wie genussvoll, sinnlich und innerlich bereichernd sie ihre Arbeit empfinden, spürt man immer wieder zwischen den Zeilen.
Mein Fazit: Sehr empfehlenswert!
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