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Mehr als die Summe seiner Teile. Gelehrte Plaudereien über eine außergewöhnliche Substanz: Wasser

„Wasser ist H2O, zwei Teile Wasserstoff, ein Teil Sauerstoff. Aber da ist noch ein Drittes, das erst macht es zu Wasser, und niemand weiß, was das ist!“, so der englische Dichter D. H. Lawrence im Jahre 1929. Eine alltägliche Substanz und doch außergewöhnlich? Aus physikalischer Sicht ganz bestimmt, denn Wasser dehnt sich aus, wenn es gefriert, anders als andere Flüssigkeiten. „Es ist die Grundlage allen Lebens!“, würde ein Biologe hinzufügen. „Gerade deshalb“, so der Blickwinkel der Ökologie, „ist es vor allem ein schützenswertes Gut.“ „Zugleich“, mag schließlich ein Ökonom zu bedenken geben, „ist Trinkwasser Handelsware, oftmals gar Streitobjekt internationaler Konflikte.“ Und wer einmal einen kristallklaren Bergsee betrachtet oder der Meeresbrandung gelauscht hat, weiß: Wasser ist auch — schön. Eine Substanz mit vielen Facetten. Und Philip Ball zeigt sie uns alle! In seiner „Biographie des Wassers“ spannt der Redakteur der Fachzeitschrift „Nature“ einen weiten Bogen von der Entstehung der Elemente nach dem Urknall bis zur politischen Bedeutung des kostbaren Stoffs — eine spannende Tour de Force durch die Wissenschaften. Komplexe Sachverhalte werden für jedermann verständlich gemacht: „Gewinkelte H2O-Moleküle, dicht an dicht im flüssigen Wasser?“ Sie sind wie Tänzer. Blitzschnell ergreifen sie die Beine ihrer Kollegen auf dem Parkett, lassen sie wieder los und suchen sich neue Partner. Beginnend mit diesem Bild veranschaulicht Ball, weshalb sich Wasser beim Gefrieren so seltsam verhält. Ball geht von naturwissenschaftlichen Befunden aus. Immer behält er jedoch deren Bedeutung für uns Menschen im Auge. So teilt er mit dem Leser seine Gedanken zu verschiedensten Themen. Woher weiß man überhaupt, dass Wasser „H2O“ ist? Zur Antwort erzählt der Autor zahlreicher populärwissenschaftlicher Werke eine Geistesgeschichte von Thales und Demokrit bis zum Beginn der modernen Chemie. Gibt es Wasser und gar Leben auch auf anderen Himmelskörpern? Nicht nur von Belegen für einen gewaltigen Ozean unter der Oberfläche eines Jupitermonds ist hier zu lesen — ein besonders fesselnder Abschnitt des Buchs — sondern man erfährt zugleich, weshalb Ball die bemannte Raumfahrt als zu teuer und riskant ablehnt. Auch einige Geschichten um spektakuläre wissenschaftliche Irrtümer ranken sich um das Wasser, so etwa die von der vermeintlichen „kalten Kernfusion“ im Wasserglas. Hieran verdeutlicht Ball die Prinzipien des Wissenschaftsprozesses: Forscher gehen immer das Risiko ein, sich zu irren — unter welchen Umständen ist diese Bereitschaft besonders hoch? Und wie lässt sich dennoch auf lange Sicht sicher stellen, dass wir uns der Wahrheit nähern? Worüber Ball auch schreibt, es ist fundiert. Wer sich schnell einen Überblick über die Faktenlage zum kostbaren Nass verschaffen möchte, könnte auf über 450 Seiten ab und an ungeduldig werden. Ball gelingt jedoch viel mehr. Er zeigt, was Wissenschaft im besten Falle sein kann: Ein geistreiches Vergnügen und zugleich ein Beitrag zur Gestaltung unserer Zukunft. Und sollten Sie sich an einem kalten Wintertag einmal gefragt haben, weshalb das Wasser in solch wunderbar regelmäßigen Schneesternen von Himmel fällt — von Ball erfahren Sie: Sie müssen es nicht wissen. Niemand weiß es. Trotz aller Forschungsbemühungen. Auch heute gibt es im Wasser also noch „ein Drittes“. Wissenschaft und Wunder schließen sich nicht aus, das zeigt Ball auf elegante und unterhaltsame Weise.

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