Ein Zoologe im pazifischen Inselparadies
Tim Flannery, australischer Zoologe und Umweltaktivist, hat den Säugetierbestand auf Melanesien aufgenommen – jener pazifischen Inselgruppe nordöstlich von Australien. Davon erzählt der umtriebige Buchautor in seinem neuesten Werk. Wer befürchtet, einen spröden Katalog vorzufinden, im Sinne von "Fledermausart X auf Neukaledonien vorhanden, nicht jedoch auf Guadalcanal", wird positiv überrascht. Flannery ist ein äußerst unterhaltsamer und in großen Teilen autobiografischer Reisebericht gelungen, der mehr als zehn Jahre Forschungstätigkeit in dem ozeanischen Inselreich schildert.
Der australische Zoologe und sein Team bereisten Melanesien in den 1980er und -90er Jahren. Ihr Ziel lautete, sich einen Überblick über den regionalen Bestand an Beuteltieren, Ratten und Fledermäusen zu verschaffen. Dies sollte unter anderem dem Naturschutz zugutekommen, denn einige Inseln waren jahrhundertelang nicht mehr von Biologen betreten worden, andere sogar noch nie. Entsprechend wenig war und ist über den Zustand dortiger Tierpopulationen bekannt.
Den Enthusiasmus, den Flannery auf seinen Forschungsreisen verspürte, weiß er in seinem Buch gekonnt zu vermitteln. Von Anfang an weckt das Werk Fernweh und Entdeckerdrang. So fuhr Flannerys Team etwa mit einem Katamaran von der australischen Stadt Cairns quer übers Korallenmeer zum winzigen Eiland Samarai vor der Ostküste Papua-Neuguineas. Wenn der Zoologe den Nachthimmel auf See beschreibt, der vor Sternen glüht, und von grün phosphoreszierenden Bugwellen erzählt, hat man den Eindruck, neben dem Wissenschaftler an der Reling zu stehen. Seine Schilderungen der tropischen Inselparadiese sind ebenso packend und nehmen den Leser mit auf die Suche nach einheimischen Tieren. Flannery wurde dabei von schillernden Kollegen und Mitstreitern begleitet, etwa dem Schlangenexperten und ehemaligen olympischen Ringer Greg Mengden, oder dem autodidaktischen Feldbiologen und Fotografen Pavel German, der einst aus der Sowjetunion floh und sich ausgezeichnet aufs Boxen versteht.
Das ist reichlich funkelnder Stoff, aber noch mehr davon gibt es, wenn Flannery auf die Geschichte und die politischen Verhältnisse der Region eingeht. Die Suche nach einer höhlenbewohnenden Riesenratte etwa kann schwierig werden, wenn sich die Revolutionsarmee von Bougainville im Dschungel verschanzt hat. Derlei Widrigkeiten gehören zum Alltag der Biologen, und an Strapazen oder manchmal gar Drogentrips führt kein Weg vorbei, wenn man ein unzugängliches Stück Urwald erreichen will. Oft sind die Einheimischen durchaus hilfsbereit und gewähren Zutritt, erwarten dafür jedoch eine angemessene Gegenleistung. Das können kleinere oder größere Gefallen sein oder auch die Teilnahme an örtlichen Ritualen.
Flannerys Erzählungen sind spannend, witzig und charmant. Bei alldem versteht er es auch noch, seine Forschungstätigkeit detailliert zu beschreiben. Sachliche und narrative Elemente verwebt er zu einer gelungenen Einheit. Selbst als wenig versierter Kenner der melanesischen Fauna fragt man sich nie, welcher Ratte oder welchem Beuteltier er denn jetzt wieder auf der Fährte ist. Langeweile kommt in dem unterhaltsamen und pointiert geschriebenen Buch nicht auf.
Ein Manko gibt es dennoch. Es liegt im Wesen einer Bestandsaufnahme, die immer gleichen Tätigkeiten an diversen Orten des zu untersuchenden Ökosystems zu wiederholen: anreisen, Basis aufbauen, Gebiet begehen, jagen, erfassen, nachbereiten und resümieren. Dieses ständig sich Wiederholende beginnt nach längerem Lesen zu stören. Ein Buch, das die Leser verschlingen, ist Flannerys Werk daher eher nicht. Doch als äußerst seltene Zustandsbeschreibung der melanesischen Säugetiere, ergänzt um Ausflüge in die regionale Kultur und Politik und gegossen in einen unnachahmlichen Sprachwitz, stellt es eine wertvolle Rarität dar.
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