Vielfalt der Perspektiven
Felix Tretter geht es ums Ganze. Der Chefarzt der Suchtabteilung des Klinikums München-Ost hat ein Faible für die disziplinübergreifende Zusammenschau. In jungen Jahren studierte er Psychologie, Philosophie, Soziologie, Statistik und Medizin – in drei Fächern hat er promoviert. Gemeinsam mit der Fachärztin für Psychiatrie Christine Grünhut hat er nun ein Sachbuch geschrieben, das den Dialog zwischen den Wissenschaften propagiert.
Der Geist sei nichts anderes als das Gehirn – diese von vielen Hirnforschern vertretene These bildet den Ausgangspunkt der beiden Autoren. Tretter und Grünhut argumentieren hingegen, dass experimentelle Befunde der Hirnforschung häufig überinterpretiert werden und viele psychologische Erkenntnisse in der Debatte außen vor bleiben. Daher widmen sich die Autoren nacheinander der Philosophie, der Psychologie, der Neurobiologie, der Informatik und den Systemwissenschaften, erörtern deren Methoden und Gegenstände und filtern schließlich heraus, worin die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der jeweiligen Disziplin liegen.
Die Philosophie kann etwa durch die Analyse von Begriffen wie "Identität" darlegen, wie problematisch die Aussage ist, der Geist sei mit dem Gehirn identisch. Denn in der Regel gelten zwei Gegenstände nur dann als identisch, wenn sie sich zur selben Zeit am selben Ort befinden. Ein Schmerzempfinden im Arm beispielsweise und der korrespondierende Zustand im Gehirn lassen sich aber an verschiedenen Orten ausmachen.
Bei ihrem Schnelldurchlauf durch die Fachgebiete können die Autoren viele Themen leider nur anschneiden. Wiederholt bewerben sie dabei ihr Projekt, eine multidisziplinäre Neurophilosophie aus der Taufe zu heben, bei der Philosophie, Neurobiologie, Psychologie und Systemwissenschaften eng zusammenarbeiten.
Befriedigender ist da jenes Kapitel, in dem die Autoren mehrere Argumentationsstränge verbinden und anhand der Experimente zur Willensfreiheit erläutern, wie die Fachgebiete sich ergänzen und korrigieren können. Der amerikanische Physiologe Benjamin Libet (1916 – 2007) hatte mit seinen Versuchen gezeigt, dass schon einige hundert Millisekunden vor der bewussten Entscheidung, die eigene Hand zu bewegen, ein Bereitschaftspotenzial im motorischen Kortex auftritt. Seine Experimente dienen häufig als Beleg für die Behauptung, das Gehirn und nicht das Subjekt treffe in Wahrheit Entscheidungen.
Tretter und Grünhut kritisieren unter anderem, dass die Libet-Experimente nur eine Phase der Willenshandlung abbildeten, nämlich die der Handlungsausführung. Differenziertere Modelle, die auch die Momente des Reflektierens, des Abwägens und Entscheidens berücksichtigen, würden dem komplexen Prozess der Willensbildung eher gerecht. Das Fazit der Autoren: Die aktuelle Datenlage rechtfertige nicht das Bild eines allein von seinem Gehirn bestimmten Homo neurobiologicus.
Leider erweist sich das gut gemeinte Buch gleich für zwei Lesergruppen als unbefriedigend. Dem Vorgebildeten bieten die Autoren wenig Neues, und den Laien lassen sie mit der kurzen, nicht immer einfachen Darstellung oft allein.
Der Geist sei nichts anderes als das Gehirn – diese von vielen Hirnforschern vertretene These bildet den Ausgangspunkt der beiden Autoren. Tretter und Grünhut argumentieren hingegen, dass experimentelle Befunde der Hirnforschung häufig überinterpretiert werden und viele psychologische Erkenntnisse in der Debatte außen vor bleiben. Daher widmen sich die Autoren nacheinander der Philosophie, der Psychologie, der Neurobiologie, der Informatik und den Systemwissenschaften, erörtern deren Methoden und Gegenstände und filtern schließlich heraus, worin die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der jeweiligen Disziplin liegen.
Die Philosophie kann etwa durch die Analyse von Begriffen wie "Identität" darlegen, wie problematisch die Aussage ist, der Geist sei mit dem Gehirn identisch. Denn in der Regel gelten zwei Gegenstände nur dann als identisch, wenn sie sich zur selben Zeit am selben Ort befinden. Ein Schmerzempfinden im Arm beispielsweise und der korrespondierende Zustand im Gehirn lassen sich aber an verschiedenen Orten ausmachen.
Bei ihrem Schnelldurchlauf durch die Fachgebiete können die Autoren viele Themen leider nur anschneiden. Wiederholt bewerben sie dabei ihr Projekt, eine multidisziplinäre Neurophilosophie aus der Taufe zu heben, bei der Philosophie, Neurobiologie, Psychologie und Systemwissenschaften eng zusammenarbeiten.
Befriedigender ist da jenes Kapitel, in dem die Autoren mehrere Argumentationsstränge verbinden und anhand der Experimente zur Willensfreiheit erläutern, wie die Fachgebiete sich ergänzen und korrigieren können. Der amerikanische Physiologe Benjamin Libet (1916 – 2007) hatte mit seinen Versuchen gezeigt, dass schon einige hundert Millisekunden vor der bewussten Entscheidung, die eigene Hand zu bewegen, ein Bereitschaftspotenzial im motorischen Kortex auftritt. Seine Experimente dienen häufig als Beleg für die Behauptung, das Gehirn und nicht das Subjekt treffe in Wahrheit Entscheidungen.
Tretter und Grünhut kritisieren unter anderem, dass die Libet-Experimente nur eine Phase der Willenshandlung abbildeten, nämlich die der Handlungsausführung. Differenziertere Modelle, die auch die Momente des Reflektierens, des Abwägens und Entscheidens berücksichtigen, würden dem komplexen Prozess der Willensbildung eher gerecht. Das Fazit der Autoren: Die aktuelle Datenlage rechtfertige nicht das Bild eines allein von seinem Gehirn bestimmten Homo neurobiologicus.
Leider erweist sich das gut gemeinte Buch gleich für zwei Lesergruppen als unbefriedigend. Dem Vorgebildeten bieten die Autoren wenig Neues, und den Laien lassen sie mit der kurzen, nicht immer einfachen Darstellung oft allein.
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