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Konkrete Werkzeuge für Lehrer

Jungen sind die heutigen "Bildungsverlierer", heißt es. Zwar haben Mädchen nicht in allen Fächern die Nasen vorn – in Mathematik beispielsweise nicht. Fakt ist aber, dass hierzulande Jungen weniger lesen, seltener Abitur machen, häufiger sitzen bleiben und öfter die Schule abbrechen (derzeit mehr als jeder zehnte!). Warum ist das so? Diese Frage stellte sich auch die amerikanische Pädagogin Kathleen Cleveland, denn in den USA stellt sich die Situation ähnlich dar.

Laut Cleveland haben Jungen vor allem dann Probleme, wenn ihr Lehrer einem anderen "Lerntyp" als sie selbst angehört. Ein Beispiel sei der "praktisch orientierte" Pädagoge, der auf Faktenlernen bestehe und so einem "beziehungsorientierten" Schüler das Leben schwer mache – insbesondere, wenn dem der persönliche Bezug zum Stoff fehle. Die Aussagekraft der von Cleveland herangezogenen Persönlichkeitstypologie ist allerdings umstritten, so dass diese These eher Skepsis hervorruft.

Plausibler scheint ihr zweites Postulat: Jungen stünde unser kulturell geprägtes Männerbild im Weg. Die Angst, als "Weichei" zu gelten, sei bei ihnen oft so groß, dass sie Lese- und Lerneifer als "feminine" Eigenschaften ablehnten. Dies illustriert die Pädagogin mit drastischen Fallbeispielen. Auch wenn ihre exemplarischen Geschichten für deutsche Verhältnisse etwas überzogen wirken, könnten sie den Kern der Problematik verdeutlichen.

Ungeachtet der mitunter etwas kruden Ursachendiskussion entfaltet das Buch im zweiten Teil alltagspraktisches Potenzial. Gestützt auf drei australische und eine britische Studie entwickelt die Autorin Strategien, mit denen sie Jungen wieder für das Lernen begeistern will. Ob es nun darum geht, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, eine angstfreie Lernumgebung zu schaffen, Lesen und Schreiben gezielt zu fördern oder die Teamfähigkeit zu verbessern: Cleveland gelingt es, die von ihr ausgewählten Methoden anschaulich und überzeugend zu präsentieren. Manches mutet dabei sehr amerikanisch an – etwa der Vorschlag, die Grundsätze des Lernens und des Miteinanders regelmäßig gemeinsam zu skandieren. Es leuchtet jedoch ein, dass die Schüler solche Maximen wirklich verstehen müssen und im Optimalfall gemeinsam formulieren sollten. Der Lehrer seinerseits muss ihre Befolgung konsequent einfordern und grobe Verstöße dagegen, etwa Mobbing, ausnahmslos ahnden oder unterbinden, so Cleveland.

Detailliert behandelt die Pädagogin auch Rückmeldungen seitens der Lehrer auf die Leistungen der Schüler, die – ob gut oder schlecht – niemals öffentlich erfolgen sollten. Aus einem "Gute Arbeit!" oder "Das muss besser werden" am Heftrand könne der Schüler zu wenig ableiten. Zielführender sei es, zunächst anzusprechen, was schon gut ist, und daran Empfehlungen anzuschließen, was auf dieser Basis zu verändern sei. Dabei sollte ein Schüler nicht an den Leistungen anderer, sondern stets an seinem eigenen Fortschritt gemessen werden, so Cleveland.

Viele ihrer Vorschläge sind originell und ermutigend. Das Buch richtet sich zwar an Pädagogen, aber auch Eltern erhalten eine Vorstellung davon, wie gutes Lehren funktionieren kann.

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