Vorhang auf!
Was haben die Märchenfigur Peter Munk aus Wilhelm Hauffs "Das kalte Herz" und Linda de Mol, Moderatorin der RTL-Fernsehsendung "Die Traumhochzeit", gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Doch Peter Winterhoff-Spurk, Professor für Psychologie an der Universität Saarbrücken, zeigt uns in seinem Buch, was den fiktionalen Peter Munk und Linda de Mol verbindet: Sie sind, so die These des Autors, typische Sozialcharaktere ihrer jeweiligen Epoche.
Um aus seinen beschränkten Verhältnissen auszubrechen und als weltgewandter Geschäftsmann mit Reichtum und Erfolg vor seinen Mitmenschen zu brillieren, verkauft der junge Köhler Munk sein Herz an den bösen Holländermichel. Statt seines warmen, mitfühlenden Organs pocht nun ein kaltes Herz aus Stein in seiner Brust: Keine Freude, keine Trauer, nicht einmal die Lust an der Musik kann ihn mehr bewegen.
Wie Peter Munk zur Zeit der Industrialisierung den Prototyp des kleinen Mannes im Konflikt mit dem Kapitalismus der ersten Stunde verkörperte, so steht laut Winterhoff-Spurk Linda de Mol symbolisch für das Individuum in unserer postmodernen, kapitalistischen Gesellschaft. In de Mols Fernsehshow erscheinen Paare, um öffentlich und in voller Hochzeitsmontur ihre Gefühle füreinander zu bekunden, sich das Eheversprechen zu geben und vom Publikum feiern zu lassen.
Winterhoff-Spurk hat für diesen Seelenstrip folgende Erklärung: Unsere Gesellschaft fördere und fordere diesen Typ Mensch, der seine Gefühle öffentlich darstellt – den so genannten histrionischen Charakter. Und einen wesentlichen Anteil an dessen Entwicklung hat nach Ansicht des Autors das Fernsehen, die Bühne im Wohnzimmer eines jeden Bürgers. Es produziere in Serien, Quizshows und zunehmend emotional gefärbten Sendungen geradezu fernsehsüchtige Histrios.
Damit bezeichnet Winterhoff-Spurk Menschen, die überall nach Anerkennung heischen, labil und oberflächlich sind, sich leicht beeinflussen und von Äußerlichkeiten blenden lassen – kurzum: Menschen mit Bindungsproblemen. In einer vom Fernsehen geprägten Gesellschaft verdrängten diese Showstars Väter und Mütter als Vorbilder. Es werde zum sehnlichsten Wunsch vieler Kinder, einmal als Teilnehmer von "Big Brother" über die Bildschirme der Nation zu flimmern und wenigstens für kurze Zeit im Glanz der Öffentlichkeit zu erstrahlen.
"Kalte Herzen" ist ein sehr detailreiches und informatives Buch, das eine Brücke schlägt zwischen Soziologie und Psychologie. Klassische Modelle wie Max Webers Protestantismusstudie zieht der Autor darin ebenso zu Rate wie neuere Ansätze, etwa Gerhard Schulzes These von der "Erlebnisgesellschaft". Der Text bleibt stets lebendig, anschaulich und auch für Nichtsozialwissenschaftler gut lesbar. Ein bisschen stört der erhobene Zeigefinger, der positive Aspekte des Fernsehens ausklammert. Doch die Analyse macht deutlich: Wenn wir nicht die Notbremse ziehen und bewusster mit dem Fernsehen umgehen, wachsen vielleicht zunehmend Kinder heran mit einem hervorstechenden Merkmal: dem kalten Herzen.
Um aus seinen beschränkten Verhältnissen auszubrechen und als weltgewandter Geschäftsmann mit Reichtum und Erfolg vor seinen Mitmenschen zu brillieren, verkauft der junge Köhler Munk sein Herz an den bösen Holländermichel. Statt seines warmen, mitfühlenden Organs pocht nun ein kaltes Herz aus Stein in seiner Brust: Keine Freude, keine Trauer, nicht einmal die Lust an der Musik kann ihn mehr bewegen.
Wie Peter Munk zur Zeit der Industrialisierung den Prototyp des kleinen Mannes im Konflikt mit dem Kapitalismus der ersten Stunde verkörperte, so steht laut Winterhoff-Spurk Linda de Mol symbolisch für das Individuum in unserer postmodernen, kapitalistischen Gesellschaft. In de Mols Fernsehshow erscheinen Paare, um öffentlich und in voller Hochzeitsmontur ihre Gefühle füreinander zu bekunden, sich das Eheversprechen zu geben und vom Publikum feiern zu lassen.
Winterhoff-Spurk hat für diesen Seelenstrip folgende Erklärung: Unsere Gesellschaft fördere und fordere diesen Typ Mensch, der seine Gefühle öffentlich darstellt – den so genannten histrionischen Charakter. Und einen wesentlichen Anteil an dessen Entwicklung hat nach Ansicht des Autors das Fernsehen, die Bühne im Wohnzimmer eines jeden Bürgers. Es produziere in Serien, Quizshows und zunehmend emotional gefärbten Sendungen geradezu fernsehsüchtige Histrios.
Damit bezeichnet Winterhoff-Spurk Menschen, die überall nach Anerkennung heischen, labil und oberflächlich sind, sich leicht beeinflussen und von Äußerlichkeiten blenden lassen – kurzum: Menschen mit Bindungsproblemen. In einer vom Fernsehen geprägten Gesellschaft verdrängten diese Showstars Väter und Mütter als Vorbilder. Es werde zum sehnlichsten Wunsch vieler Kinder, einmal als Teilnehmer von "Big Brother" über die Bildschirme der Nation zu flimmern und wenigstens für kurze Zeit im Glanz der Öffentlichkeit zu erstrahlen.
"Kalte Herzen" ist ein sehr detailreiches und informatives Buch, das eine Brücke schlägt zwischen Soziologie und Psychologie. Klassische Modelle wie Max Webers Protestantismusstudie zieht der Autor darin ebenso zu Rate wie neuere Ansätze, etwa Gerhard Schulzes These von der "Erlebnisgesellschaft". Der Text bleibt stets lebendig, anschaulich und auch für Nichtsozialwissenschaftler gut lesbar. Ein bisschen stört der erhobene Zeigefinger, der positive Aspekte des Fernsehens ausklammert. Doch die Analyse macht deutlich: Wenn wir nicht die Notbremse ziehen und bewusster mit dem Fernsehen umgehen, wachsen vielleicht zunehmend Kinder heran mit einem hervorstechenden Merkmal: dem kalten Herzen.
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