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Bunte Meinungsvielfalt

Der Philosoph und Publizist Matthias Eckoldt hat neun führende deutsche Hirnforscher befragt, und herausgekommen sind durchweg unterhaltsame Gespräche. Keine intellektuelle Strafarbeit also, wie der dröge Buchtitel nebst Unterzeile "Gespräche über Hirnforschung und die Grenzen unserer Erkenntnis" befürchten lässt. Die Interviews im Plauderton erweisen sich als sehr aufschlussreich und verraten viel über die Persönlichkeit der Befragten.

Gleichwohl haben sie ein relativ hohes fachliches Niveau. Leser, die gerade erst ihre Fühler in Richtung Neurowissenschaft ausstrecken, sind mit dem Buch wahrscheinlich nicht gut bedient. Eckoldt hat sich tief in die Materie eingearbeitet und diskutiert mit seinen Interviewpartnern, darunter Gerald Hüther, Gerhard Roth und Wolf Singer, detailliert deren Forschungs- und Erkenntnisinteressen. Anschließend geht er zu jenen Themen über, die ihm selbst am Herzen liegen.

Eckolts Grundhaltung der Hirnforschung gegenüber ist von Skepsis geprägt – so scheint es wenigstens. Vielleicht spielt er auch nur die Rolle des Advocatus Diaboli. Immer wieder wirft er beispielsweise die Frage auf, ob die Schlussfolgerungen der modernen Neurowissenschaft bezüglich der Willensfreiheit überhaupt zulässig sind. Oder was bildgebende Verfahren wirklich über die Gedankenwelt des Untersuchten verraten. Vor allem aber geht es ihm um das von der Philosophie "am hartnäckigsten ergrübelte Geheimnis", das Bewusstsein.

Was es sei und ob man es im Gehirn dingfest machen könne – ein paar Aussagen hierüber ringt er jedem seiner Gesprächspartner ab, obwohl die sich mitunter heftig wehren. Viel Erhellendes wissen sie nicht beizutragen, einfach weil die Neurowissenschaft in diesem Bereich bislang wenig Handfestes erbracht hat. Immerhin lehnen alle Interviewpartner die Auffassung ab, Bewusstsein lasse sich mit der Aktivität ausgewählter Hirnregionen erschöpfend beschreiben.

Ohne die kritischen Nachfragen Eckoldts wäre das Buch nicht halb so spannend. Leider bekommt man das Gefühl, die meisten Befragten können seinem Nachbohren nur wenig entgegensetzen. Sie sind eben vor allem in der Wissenschaft und nicht in der Philosophie zuhause. Entsprechend pflichtschuldig geben sie Auskunft. Ganz ähnlich würde es klingen, wenn man Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel nach einem Grand-Prix-Sieg zur Kohlendioxid-Bilanz seines Rennwagens befragte.

Die meisten Interviewten zählen zu jenen renommierten Hirnforschern, die vor gut zehn Jahren auf Anregung der Zeitschrift "Gehirn und Geist" das viel beachtete "Manifest" verfassten (siehe GuG 6/2004, S. 30). Darin stellten sie den aktuellen Stand ihrer Wissenschaft dar und skizzierten die Herausforderungen der Zukunft. Eckoldt geht in seinem Buch der Frage nach, wie sich die Lage heute präsentiert. Einen zentralen Satz des Manifests, wonach die Hirnforschung sich in mancher Hinsicht "auf dem Stand von Jägern und Sammlern" befinde, würden viele der Befragten immer noch unterschreiben. Vor allem aber lassen sie durchblicken, wie sehr sie das Manifest als Minimalkonsens empfanden, für den sie divergierende Ansichten glattbügeln mussten.

Genau hier tritt die besondere Stärke von Eckoldts Werk zutage. Mit seiner Interviewsammlung gelingt ihm ein Stimmungsbild, das dem Pluralismus in der Hirnforschung deutlich besser Rechnung trägt als die gemeinschaftliche Erklärung von einst – und wahrscheinlich auch als die meisten anderen einschlägigen Bücher. Die Konzepte, Interessen und Interpretationen der neun Wissenschaftler sind bemerkenswert verschieden, was der Autor klar zu Tage treten lässt. Allerdings um den Preis, dass jeder der neun Forscher mit seiner Sichtweise letztlich für sich steht. Die anspruchsvolle Aufgabe, Gemeinsamkeiten zwischen ihnen zu finden und Querbezüge herzustellen, überlässt Eckoldt – vielleicht gezwungenermaßen – dem Leser. Freude an seinem Buch hat deshalb nur, wer eine bunte Meinungsvielfalt zu schätzen weiß und nicht erwartet, abschließende Erklärungen zu finden.

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