Kampf den Supermemen
Unsere Welt ändert sich in Pikosekunden. Und während sie dabei immer komplexer wird, hat unser Gehirn Mühe, mit den Entwicklungen in Technik und Wirtschaft Schritt zu halten. Der Grund: Die Evolution der menschlichen Biologie kriecht im Vergleich zum rasanten gesellschaftlichen Fortschritt im Schneckentempo voran. Das führt irgendwann dazu, dass der Fortschritt zum Erliegen kommt. Der Stillstand tritt dann ein, wenn Zivilisationen nicht mehr in der Lage sind, große, komplexe Probleme zu begreifen und zu lösen – und zwar trotz der Erkenntnis, dass diese Probleme zu ihrem Untergang führen könnten. So erging es den hoch entwickelten Zivilisationen der Vergangenheit: Weder die Mayas noch die Römer waren in der Lage, die wachsende Kluft zwischen der Evolutionsgeschwindigkeit und der zunehmenden Komplexität zu überwinden. Die unvermeidliche Folge: ihr Zusammenbruch.
Rebecca Costa erklärt in ihrem Buch "Kollaps oder Evolution" auf mitreißende Weise, wie die moderne Gesellschaft zum Untergang verurteilt sein wird, wenn sie versucht, ihre existenziellen Probleme mit herkömmlichen Mitteln zu lösen. Gefährliche Probleme wie Klimawandel, Terrorismus, Gewalt und pandemische Viren werden mit den Generationen immer schlimmer, und eine Dauerlösung ist bis jetzt nicht in Sicht.
Für die Soziobiologin gibt es nur eine mögliche Lösung: Wir müssen die kognitive Schwelle, also den Punkt, an dem die Komplexität und die Evolution zusammenstoßen, überwinden. Das ginge, indem wir neue kognitive Instrumente entwickeln wie die spontane Erkenntnis. Damit meint die Autorin das Aha- oder Eureka-Erlebnis, das zum Beispiel Archimedes hatte, als er in der Badewanne eine spontane Verbindung zwischen dem Wasser, das über den Badewannenrand quoll, und dem wissenschaftlichen Prinzip der Verdrängung herstellte.
Wie Geistesblitze dieser Art Lösungen für komplexe Probleme hervorbringen können, erklärt Costa anschaulich und sehr unterhaltsam anhand mehrerer Beispiele. Sie beschreibt auch ausführlich, was spontanen Erkenntnissen im Weg steht und was uns die Chance auf jedweden Fortschritt nimmt: Supermeme. Das sind Überzeugungen, Gedanken und Verhaltensmuster, die so weit verbreitet sind, dass sie alle anderen Überzeugungen und Verhaltensweisen in einer Gesellschaft bestimmen oder unterdrücken.
Zu den großen Supermemen der modernen Gesellschaft zählen irrationale Ablehnung, die Personalisierung der Schuld, falsche Korrelationen, Silodenken und extremes Wirtschaftlichkeitskalkül. Sie zu überwinden ist unabdingbar, um den drohenden Untergang der Zivilisation zu verhindern. Costa verrät auch, wie wir diese Supermeme überwinden und das Gehirn darauf trainieren können, spontane Erkenntnisse hervorzubringen.
Der Untertitel des Buches suggeriert, dass die Autorin in ihrem Werk erklärt, "Wie wir den Untergang unserer Welt verhindern können". Da kann im ersten Moment durchaus der Gedanke kommen, dass wir doch eigentlich nicht noch mehr Vorschläge brauchen, mit denen wir die Probleme unserer Zivilisation erfolgreich hinter uns lassen können. Denn Ideen dieser Art gibt es schon zuhauf, und die meisten von ihnen lösen bestenfalls kurzfristig, nicht aber langfristig bestehende Schwierigkeiten. Sie packen die Probleme nicht bei der Wurzel, sondern bekämpfen höchstens deren Symptome.
Der Untertitel hält aber, was er verspricht: Das Buch kann der Diskussion um die Bewältigung bedrohlicher Krisen eine echte Perspektive geben und ist ein absolutes Muss für jeden, der sich mit den Problemen dieser Gesellschaft auseinandersetzt und ernsthaft über Lösungswege nachdenkt.
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