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Meisterhaftes Versteckspiel

Es gibt unzählige Bildbände zur Natur und fast ebenso viele Naturfotografen. Aber es gibt nur einen Art Wolfe, der seine außerordentlichen Fähigkeiten bereits in seinem Vornamen trägt: Kunst. Und als nichts anderes ist auch sein neuestes Werk zu bewerten: "Kunst der Tarnung".

Es ist ein Tierbuch der anderen Sorte, denn der Betrachter wird zur Suche aufgefordert. Der Vogel, das Säugetier, das Reptil oder der Fisch stehen im Mittelpunkt des Interesses, aber nicht immer unmittelbar im Zentrum des Bildes. Dort, wohin der Blick zuerst wandert, ist nicht immer unbedingt auch gleich das Tier zu sehen – vielmehr muss der Blick schweifen, wird der Leser zu einer Entdeckungsreise eingeladen. Da verschwindet der Papagei fast im Grün des Urwalds oder der mächtige See-Elefant im schwimmenden Tangteppich. Auf einer anderen Seite trifft der Blick zuerst auf einen mächtigen Felsbrocken im Vordergrund und erst dann beim näheren Betrachten den Eisbären im Hintergrund. Oder es wird die bunte Wanderelster erspäht, deren Aufregung beim näheren Hinschauen durch einen Uhu verständlich wird.

Abgebildet sind auch Giraffe, Wolf, Leopard und Tiger in ihrer natürlichen Umgebung. Schon tausendmal gesehen? Aber bestimmt nicht aus dieser Perspektive: Die Giraffe verschmilzt mit dem Grünbraun des Akazienwaldes, der Tiger löst im Gestrüpp auf, und vom Leopard spitzt nur der Kopf aus dem hohen Gras. Art Wolfe zeigt die ganze Bandbreite des schier unerschöpflichen Fundus von Mutter Natur, ihre Geschöpfe zu tarnen und somit vor ihren Feinden zumindest etwas zu schützen – eine Fähigkeit, die zu Wasser und zu Lande benötigt wird.

Wer Wolfe und seine Bücher kennt, der weiß um die Fähigkeiten des Fotografen. Jedes Bild versetzt einen zuerst in die Mühen des Forschungsreisenden auf der Suche nach Tieren, denn Wolfe spielt mit Licht und Tiefenschärfe. Nicht immer ist das eigentliche Objekt der Begierde, das Tier, der hellste Punkt auf der Aufnahme, sondern mal ein Stein, mal ein Baum. Alles ist in der gleichen Schärfe aufgenommen, sodass auch dies dem Auge keinen Anhaltspunkt gibt. Und auch gegen die traditionelle Gewichtung der Fotografie verstößt Wolfe häufig, indem er die Tiere an den Rand rückt und sie nicht ins Zentrum stellt. Das alles macht das Buch spannend und zu einem Augenschmaus, denn letztendlich wird der Beobachter mit einem exzellenten Bild belohnt.

Manche Tiere verstecken sich dabei so perfekt, dass der Beobachter zuerst die Bildunterschrift lesen muss, um überhaupt einen kleinen Hinweis zum zu suchenden Fisch oder Säuger zu bekommen. Immer wieder überrascht das Buch mit ungewöhnlichen Einstellungen, die den Fotografen mit Sicherheit unglaublich viel Mühe gemacht haben, um sie zu erhalten – eine Mühe, die sich gelohnt hat. Im Nachspann wird dann jedes einzelne Bild, seine Art und die Geschichte dahinter kurz und knapp erläutert, im Vorspann erfährt der Leser dagegen auf wenigen Seiten allgemeines zum Warum der Tarnung im Tierreich. Die Texte hat übrigens Barbara Sleeper verfasst, die schon des Öfteren mit Art Wolfe gearbeitet hat.

"Kunst der Tarnung" ist ein Buch für Naturliebhaber wie passionierte Fotografen zugleich. Und es ist ein Spaß für die ganze Familie und besonders für Kinder, nach dem Wandelnden Blatt, einem Faltengecko oder dem Schwarzbär zu suchen, denn selbst so große Tiere können sich fast unsichtbar machen. Art Wolfe – dem mehrfach preisgekrönten Fotografen – ist ein erneutes Meisterwerk gelungen.

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