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„Kunst“ kommt von „Können“ und nicht von „Wollen“, sonst hieße es „Wunst“ — oder nicht?

Sind Linkshänder kreativer als Rechtshänder? Wie erzeugen Nervenzellen Bilder aus elektrischen Signalen? Ist Genialität gar eine Hirnstörung? Das sind nur einige Fragen, die der studierte Mediziner, Philosoph und Kommunikationsforscher Detlef Bernhard Linke in seinem Buch aufwirft, in dem er sich eine Annäherung an die Beziehung zwischen Kunst und Gehirn versucht. Eine hirntheoretische Kunstannäherung sozusagen bzw. eine kunsttheoretische Hirnannäherung. Um Wahrnehmung bzw. Nichtwahrnehmung, um Verdeutlichung bzw. Verhüllung geht es in diesem essayistischen Werk, das sich mit dem künstlerischen Schaffensprozess ebenso wie mit dem Betrachter des künstlerischen Werkes auf anregende und zum Teil verblüffende Weise auseinandersetzt. Ob die naturwissenschaftliche Beschäftigung mit Christo und Jeanne-Claudes Verhüllungen von Landschaften oder Gebäuden, die Abstand zum Objekt und Aufmerksamkeit zugleich erzeugen, oder die Betrachtung der Mona Lisa aus kieferorthopädischer Sicht, ob die Bedeutung des Sextanten, der die Bestimmung der eigenen Position ermöglicht, nachdem sie aufgegeben worden ist — die Verbindungen, die Linke in seinen Ausführungen knüpft, sind zum Teil verblüffend einfach, zum Teil außerordentlich komplex und verstiegen. Wie wirkt Kunst? Hat die Vorliebe van Goghs für die Farbe Gelb etwas mit Epilepsie zu tun? Hirntheoretische und kunsttheoretische Überlegungen werden kunstvoll miteinander verwoben, die ausführlichen Literaturangaben im Anhang bieten dem interessierten Leser Gelegenheit, sich in Sehen und Fernsehen, Sein und Bewusstsein, Kunst, Seele und Hirn über dieses Werk hinaus zu informieren. Zu guter Letzt gönnt Linke sich und seinen Lesern ein 73 Punkte umfassendes „Manifest“. Darin sind zu Kunst und Gehirn u.a. so etymologisch einleuchtende Feststellungen wie „Hirsch, Horn, Hirn entspringen dem gleichen Wortstamm und bedeuten ‚das, was an der Spitze liegt.“ vertreten und so esoterisch aufleuchtende Feststellungen wie „Die Frage nach dem stärksten Sinn ist nicht sinnvoll. Die Antwort hängt von den Worten ab, die gesprochen werden, und dem Lächeln, das einen streichelt.“ Zu einer Eroberung des Unsichtbaren, wie es der Untertitel verspricht, gelangt der Autor zwar nicht, dafür aber zu der Erkenntnis, dass das Unsichtbare nicht unbedingt sichtbar gemacht werden muss — verschlägt uns doch schon das Sichtbare die Sprache.

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