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In alter Post gestöbert

Die Herausgabe dieser Briefe durch die älteste Tochter Heisenbergs ist getragen von der Absicht, der Öffentlichkeit ein vollständigeres Bild des Privatmannes Heisenberg zu geben, angefangen von seiner Zeit im Hilfdienst während des ersten Weltkrieges bis in die Wirren in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges. Wer sich ausführlicher für Werner Heisenberg und die "kritische Zeit" von 1918 bis 1925 interessiert, wird an dem Buch nicht vorbeikommen.
Soll man ein Buch lesen, in dem hundertfach die Worte "Liebe Mama" vorkommen? Unwillkürlich möchte man verneinen. Doch was ist, wenn es sich um Briefe des Physik-Nobelpreisträgers Werner Heisenberg an seine Eltern, vorzugsweise seine Mutter handelt?

Als Ende 2002 bislang unter Verschluss gehaltene Briefentwürfe Niels Bohrs veröffentlicht wurden, rauschte es im vorwiegend feuilletonistischen Blätterwald – nicht verwunderlich, drehten sich die diese doch hauptsächlich um das sagenumwobene Treffen zwischen Werner Heisenberg und Niels Bohr im deutsch besetzten Kopenhagen des Jahres 1941. Und nicht zuletzt war das Interesse an diesem Treffen und der Person Heisenbergs durch das Drama "Kopenhagen" des britischen Dramatikers Michael Frayn angefacht.

Umso erstaunlicher ist es, dass die nun in Buchform vorliegende Sammlung von Briefen Werner Heisenbergs an seine Eltern nicht mehr Aufmerksamkeit erfährt. Sicher sind keine sensationelle Enthüllungen zu erwarten und völlig unbekannt waren die Briefe auch nicht. Wissenschaftshistoriker konnten diese bereits auswerten und nutzen. Wer sich ausführlicher für Werner Heisenberg und die "kritische Zeit" von 1918 bis 1925 interessiert, wird jedenfalls an dem Buch nicht vorbeikommen.

Die Herausgabe der Briefe durch die älteste Tochter Heisenbergs ist getragen von der Absicht, der Öffentlichkeit ein vollständigeres Bild des Privatmannes Heisenberg zu geben, angefangen von seiner Zeit im Hilfdienst während des ersten Weltkrieges bis in die Wirren in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges.

Viel ist in Heisenbergs Briefen (die Gegenbriefe der Eltern sind nicht enthalten) die Rede von alltäglichen Dingen und Problemen, nicht zuletzt von Heisenbergs Leidenschaft für die Berge und die Musik. Oft scheint es, als habe er zuwenig Zeit für das, was er eigentlich gerne machen würde: "… es ist direkt erstaunlich, wieviel man von der bürgerlichen Welt dafür bekommt, wenn man das Leben an sich verkauft; nur schade, dass man das Leben dann los ist" (19.9.1924). In den Briefen treten die Physik und Heisenbergs eigene Forschungen recht weit in den Hintergrund. Trotzdem wird der Leser natürlich auch hin und wieder Zaungast der Physikgeschichte: "Aus England kommt gerüchteweise die Nachricht, dass dem Dirac wieder ein großer Fortschritt geglückt sei" (28.11.1929). Auch die Zeitumstände stellen sich im Lichte der Eltern-Sohn-Beziehung dar.

Jedem Jahr ist ein kurzer biographischer Abriss vorangestellt, der die wichtigsten Stationen von Heisenbergs Leben in Erinnerung ruft. Der schön ausgestattete Band enthält sechzehn Bildtafeln mit zum Teil unveröffentlichten Fotos aus Familienbesitz. Die Briefe selbst sind unkommentiert und deshalb dürfte das Buch doch eher etwas für den Heisenberg-Kenner sein. Hier hätte ich mir vom ausgewiesenen Fachmann und Verwalter des Heisenbergschen Nachlasses, Helmut Rechenberg, mehr gewünscht als nur ein kurzes Vorwort. Deshalb ist sicher die begleitende Lektüre einer Heisenberg-Biographie, etwa diejenige von Cassidy, oft hilfreich.

Mit ihren sehr lesenswerten "Erinnerungen an meinen Vater" beschließt die Herausgeberin Anna Maria Hirsch-Heisenberg das Buch und liefert einen sehr persönlichen und wichtigen Beitrag, um Heisenbergs Persönlichkeit und Lebensweg besser verstehen zu können.

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