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»200 Tage auf der ISS« : Meditation in Bildern

Satellitenbild der Erde, das den Atlantik in tiefem Blau zwischen den Kontinenten Nord- und Südamerika sowie Afrika und Europa zeigt

Der ESA-Astronaut Thomas Pesquet ist einer der erfahrensten europäischen Raumfahrer. Er hat bei seinen zwei Missionen insgesamt 396 Tage im All verbracht und bei dieser Gelegenheit fast eine Viertelmillion Fotos gemacht, was, das sei hier nur am Rande vermerkt, keinesfalls seine Hauptaufgabe war, denn allein sein zweiter Einsatz umfasste die Installation, Betreuung, Auswertung und Wartung von etwa 200 Experimenten.

Wer die Missionen von Thomas Pesquet in den sozialen Medien verfolgt hat (er war vor allem auf Twitter sehr aktiv), der weiß, dass er nicht nur ein gut beschäftigter Forscher, sondern auch ein begabter Fotograf ist. Ein fleißiger Autor ist er obendrein, denn Pesquet hat schon eine ganze Reihe von Büchern verfasst, darunter Fotobücher, Comics und seine Biografie. Kaum etwas davon ist im nicht sonderlich raumfahrtaffinen Deutschland angekommen, aber dafür neben Frankreich noch in vielen anderen Ländern Europas und teilweise sogar in China.

Seit einer Weile liegt jetzt aber doch ein Buch von ihm auch in Deutsch vor. Wobei, viel Deutsch ist auch da nicht drin, denn es ist ein fast reines Bilderbuch. Der längste Text geht über vier Seiten und findet sich ganz vorne: eine Kombination aus Vorwort und Einführung. Die Kapitel bekommen jeweils eine kurze Erläuterung, die einzelnen Bilder werden in kompakten Informationsblöcken beschrieben, die nur wenige Zeilen lang sind. Am Schluss des Buches gibt es noch ein sehr interessantes Bonuskapitel. Dort werden für jedes einzelne Bild neben dem Entstehungsdatum fototechnische Details wie die verwendeten Kameras und Teleobjektive, Belichtungszeiten, Blenden und Ähnliches in einer wunderbar klaren grafischen Form aufgelistet.

Der Titel dieses Buches lautet »200 Tage auf der ISS« und beschäftigt sich mit Pesquets zweiter Reise in den Orbit. Das Original erschien im Pariser Traditionshaus Éditions Flammarion. Die Leser von »Sterne und Weltraum« werden bei diesem Namen aufmerken, denn er geht zurück auf Ernest Flammarion, den Bruder des berühmten Astronomen Camille Flammarion, der im 19. Jahrhundert dessen Arbeiten veröffentlichte. In Deutschland ist das Buch bei Frederking & Thaler erschienen, einem Münchner Verlag, der auf hochwertige Bildbände spezialisiert ist.

Das Werk wiegt zwei Kilo, ist 378 Seiten stark und kostet 49,99 Euro. Ein Prunkstück im Regal oder aufgeschlagen als Table-Book auf einem passenden Möbel. In diesem Band präsentiert Pesquet dem Leser (oder besser: dem Betrachter) 300 spektakuläre Fotos, die zwischen dem 24. April und dem 9. November 2021 entstanden. Es sind faszinierende Bilder von unserem Heimatplaneten aus einer Höhe von 400 Kilometern.

Das Buch ist eine Reise um die Welt und führt uns in einer Erdumkreisung – und somit einem orbitalen Tag – zu den Wundern unseres Blauen Planeten. Der Rundflug beginnt bei Tagesanbruch an Bord der Raumstation und endet in der Nacht unter den Sternen. Die Fotos sind dabei zur besseren Übersicht meist in geografische Kapitel wie Städte, Wüsten, Gebirge, Meere oder Küsten unterteilt.

Da gibt es die gekrümmte Erdoberfläche in der Morgendämmerung, Panoramaaufnahmen von Großstädten wie New York, Peking oder Istanbul oder von Australiens berühmtestem Berg Uluru (Ayers Rock). Zwischendurch auch immer wieder Bilder, die an all die Technik erinnern, die es für den Betrieb der ISS braucht: ankommende oder abfliegende Fracht- und Crewraumschiffe, Szenen in der Kuppel, Blicke auf einzelne Segmente der ISS wie die Trägerstruktur, den Manipulatorarm, die Solargeneratoren oder die Labormodule. Die meisten Fotos sind ganz- oder doppelseitig. Etliche davon sogar noch einmal ausklappbar, um den szenischen Eindruck auf drei oder vier miteinander verbundenen Bildtafeln weiter zu verstärken.

Manche der Aufnahmen machen uns auf die Verletzbarkeit des Lebens auf diesem Planeten aufmerksam. So hat Pesquet auch bedrohliche Elementarereignisse im Bild festgehalten: Zyklone, Vulkane, Waldbrände, Gewitter und Staubstürme. Und immer wieder gibt es meditative Eindrücke, wenn etwa über dem Kronendach des Amazonasbeckens unzählige Wolkentupfer schweben, die von der ISS aus gesehen wie winzige Wattebäuschchen wirken, oder Meeresregionen mit Farbabstufungen von Türkis über Smaragdgrün bis hin zu tiefem Blau. »200 Tage auf der ISS« ist ein beeindruckender, qualitativ sehr hochwertiger Bildband mit einmaligen Blicken auf die Erde. Meine unbedingte Empfehlung.

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