Kosmische Kollisionen
Was kann schöner sein, als es sich unter einem pechschwarzen Sternenhimmel bequem zu machen und auf das Aufleuchten einzelner Meteore zu warten, die sich auf ihrem letzten Wegstück durch die irdische Atmosphäre für kurze Zeit so spektakulär präsentieren? Wer die Beobachtung von Meteoren nicht dem Zufall überlassen und sie mit wissenschaftlichem Anspruch ausführen möchte, der ist mit dem jüngst erschienenen Buch der beiden Meteorspezialisten Jürgen Rendtel und Rainer Arlt vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam gut bedient. Der Oculum-Verlag rundet mit diesem Werk seine Reihe "Astro-Praxis" ab, in der drei Bücher zu Sonne, Mond und Sternen bereits vorliegen. Der Fokus dieser Reihe liegt auf eigenen Himmelsbeobachtungen und ihre Zielgruppe sind ambitionierte Amateurastronomen.
"Meteore" ist klar strukturiert und umfasst drei große Abschnitte: Theorie, Praxis und Meteorströme. Der erste, theoretische Teil des Buchs folgt dabei der Reise dieser kleinsten Objekte in unserem Sonnensystem durch die Erdatmosphäre: Meteoroid nennt man den Ursprungskörper im interplanetaren Raum. Tritt dieses Objekt in die Erdatmosphäre ein, so bewirkt es durch die Ionisation seiner Oberfläche sowie Molekülen der Atmosphäre eine Leuchterscheinung, die als Meteor bezeichnet wird. Kleinste und kleinere Meteoride verglühen in der Atmosphäre vollständig; größere Meteoride erreichen als Meteorite die Erdoberfläche. Die Autoren beschreiben zunächst die Bahnen, auf denen sich diese meist nur staubgroßen Objekte durch das Sonnensystem bewegen beziehungsweise die Erdbahn kreuzen. Ausführlich gehen sie auf die Ursprungskörper von Meteoriden ein, die Kometen und Kleinplaneten.
Das Kapitel Meteore beschreibt die Phänomene, die durch die kosmische Kollision der Staubpartikel mit unserem Heimatplaneten beim Eintritt in die Erdatmosphäre beobachtbar sind: Leuchterscheinungen und Schallereignisse. Eine Darstellung der beiden – technisch aufwändigen und schwierig auszuwertenden – Beobachtungsverfahren, die sich aus der Nutzung der Reflexion von Radiowellen an der Ionisationsspur von Meteoren ergeben, rundet das Kapitel über Meteore ab. Zum einen ist dies die Rückwärtsstreuung, bei der als Quelle der Radiostrahlung ein Radarsystem genutzt wird, zum anderen die Vorwärtsstreuung, bei der eine Antenne auf einen – hinter dem Beobachterhorizont liegenden und nicht direkt empfangbaren – UKW-Sender ausgerichtet wird, den die Ionisationsspur des Meteors reflektiert.
Das Kapitel über die Meteoriten und ihre Eigenschaften fällt leider etwas dünn aus, insbesondere ihre Typologie wird zu knapp abgehandelt. Auf vier Folgeseiten bieten Rendtel und Arlt einen kleinen historischen Blick auf die noch recht junge Entwicklung der Meteorforschung, mit dem sie ihren theoretischen Teil beschließen.
Im zweiten praktischen Abschnitt des Werks gehen die Autoren ausführlich auf die Wahl des Beobachtungsorts und verschiedene Methoden eigener Beobachtung und Aufzeichnung ein. Der Leser erhält viele interessante Tipps zur visuellen und fotografischen Beobachtung und zur Videoaufzeichnung. Zwei visuelle Methoden stellen die Autoren ausführlich vor: das Counting und das Plotting. Beides dient dazu, eigene Beobachtungen zu standardisieren, so dass die einzelnen Registrierungen miteinander vergleichbar werden. Der Leser ist nach Lektüre dieses Abschnitts durchaus in der Lage, seine eigenen Beobachtungen zu systematisieren und Beobachtungsberichte an die "International Meteor Organization" zu verfassen. Dieser Abschnitt ist sehr praxisnah und motiviert Meteor-Beobachter und solche, die es werden wollen, in besonderer Weise.
Der dritte Abschnitt des Buchs bietet einen ganzjährigen Kalender von insgesamt 26 einzelnen, jährlich wiederkehrenden Meteorströmen. Zu bestimmten Zeiten treten Meteore gehäuft auf; über Meteoridenströme wie die Perseiden im Sommer oder die Leoniden im November berichten selbst Tageszeitungen. Die meisten Meteoriden sind übrigens keinen bestimmten Strömen zuzuordnen. Beobachter können unter wenig lichtverschmutztem Sternenhimmel zwischen zwei und zehn sporadische Meteore pro Stunde erspähen. Durchgängig finden sich zu jedem Meteorstrom sehr genaue Beschreibungen und eine Sternkarte zur Lage und zur Bewegung des Radianten. Allein dieser Abschnitt "Meteorströme" lohnt den Kauf des Buchs, er findet sich bislang in dieser Form nirgendwo sonst.
Das Buch überzeugt durchweg, wenngleich das Kapitel über die Meteoriten – oder das mit nur sechs Werken sehr dünne Literaturverzeichnis – gerne ausführlicher sein dürfen. Vielleicht legt der Oculum-Verlag hier in einer kommenden Auflage nach. "Meteore" von Jürgen Rendtel und Rainer Arlt schließt eine Lücke im Kanon amateurastronomischer Werke – und rundet die Oculum-Reihe "Astro-Praxis" auf gelungene Weise ab.
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