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Mikrobiologisches Praktikum

Mikroorganismen sind sehr klein. Dennoch kommt man insbesondere als Molekularbiologe und Biotechnologe an diesen Lebewesen nicht vorbei. Das liegt vor allem an Escherichia coli, einer kleinen Nukleinsäure- bzw. Proteinfabrik, die dem "modernen" Biologen unermüdlich zu Diensten ist. Doch Mikrobiologie ist mehr als E. coli. Die Vielfalt der Mikroorganismen ist groß und das damit verbundene, scheinbar unbegrenzte Spektrum katalytischer Leistungen spielt für uns eine bedeutende Rolle. Die Autoren des "MIKROBIOLOGISCHEN PRAKTIKUMS" haben daher zu Recht ein Praktikumsbuch auf den Weg gebracht, das sich mit dieser Vielfalt auseinandersetzt.

Was erwartet uns in den einzelnen Kapiteln des "MIKROBIOLOGISCHEN PRAKTIKUMS"? Schwerpunkte der kurzen mikrobiologischen Einleitung in Kapitel 1 sind Taxonomie, bakterielles Wachstum und Stoffkreisläufe. Weiter geht es in Kapitel 2 mit einer ausreichend knappen Darstellung von Vorschriften und Gesetzen, was den sicheren Umgang mit Mikroorganismen betrifft. Das zentrale Kapitel 3 beschreibt 56 verschiedene Versuche, Fokus sind hierbei die Bakterien. Trotzdem, der Einstieg (Versuch 1) erfolgt zunächst mit der gut mikroskopierbaren Bäckerhefe. Sehr schön wird beispielsweise gezeigt, wie viele Zellen es braucht, um mit dem bloßen Auge eine Trübung wahrnehmen zu können. Versuch 2 behandelt die obligatorische Wachstumskurve, allerdings nicht mit den üblichen "E. colis", sondern mit Ralstonia eutropha. Neben der Trübung werden Lebend- bzw. Gesamtzellzahl, Trockenmasse und Gesamtprotein bestimmt. Der Wachstumsversuch wird, und das ist das Interessante, mit zwei verschiedenen Stämmen durchgeführt. Einer dieser Stämme vermag keinen Speicherstoff mehr zu synthetisieren. Da findet man dann natürlich Unterschiede was die oben genannten Daten angeht. Dies sorgt wiederum für reichlich Diskussionsstoff. Ein schöner Versuch, nur die vorgeschlagenen Zeitpunkte zur Probennahme ("rund um die Uhr") sind für ein Praktikum unrealistisch.

Es folgen teilweise sehr originelle Experimente zur Anreicherung und Charakterisierung von Bakterien, zur mikrobiellen Produktion von Wertstoffen bzw. zum Abbau von organischem Material. Da werden Insektizide synthetisiert und Herbizide abgebaut. Aber auch handfeste mikrobiologische Themen wie z. B. die Herstellung von Sauerkraut oder Weinessig werden umgesetzt. Versuche mit Coli-Phagen und dem Tabak-Mosaik-Virus sorgen dafür, dass die virale Seite der Mikrobiologie nicht vernachlässigt wird. Ein klein wenig Genetik ist im "MIKROBIOLOGISCHEN PRAKTIKUM" auch dabei, denn Experimente zur Transformation von Bakterien fehlen genauso wenig wie ein paar Versuche zur Mutagenese mit dem immer wieder schönen Test von Bruce Ames.

Die Experimente im "MIKROBIOLOGISCHEN PRAKTIKUM" werden durch Hintergrundinformationen sehr ausführlich und damit vorbildlich eingeleitet. Die Versuchsbeschreibungen erscheinen komplett und ich bin sicher, dass Sie von den Autoren auf Herz und Nieren geprüft worden sind. Viele Versuche gehen jedoch über mehrere Tage und erfordern daher für die Durchführung einiges an Spielraum was Laborfläche etc. angeht. Dazu kommen Spezialgeräte (z. B. Versuch "Bioplastik"), die nicht zur Grundausstattung eines mikrobiologischen Labors gehören. Gut gefällt, dass die Versuchsbeschreibungen ausformuliert sind. Das hilft dem Anfänger seine eigenen Berichte angemessen zu formulieren. Durch Querverweise werden die Versuche mit dem ausführlichen Methodenkapitel 5 verknüpft, das erfordert allerdings etwas Blätterei. Eine Liste zum Material und ein teilweise kniffliges Fragenpaket am Ende jeder Versuchsbeschreibung runden die Experimente ab.

Bleibt noch zu klären, wer das Buch von Steinbüchel/Oppermann-Sanio kaufen soll. Versuche mit Luftplatten oder die Anreicherung von Endosporenbildnern beispielsweise sind Klassiker vieler mikrobiologischer Praktika. Studenten aller Fachrichtungen werden daher für die ausführlichen Informationen was die Grundtechniken der Mikrobiologie angeht dankbar sein. Besonders geeignet ist das Buch jedoch für den fortgeschrittenen Studenten der Mikrobiologie bzw. Biotechnologie, der das katalytische Potential der Mikroorganismen durch dieses Buch fast spielerisch begreifen lernt.

Lehrer und Hochschullehrer finden im "MIKROBIOLOGISCHEN PRAKTIKUM" Erfrischungen für das eigene, vielleicht schon etwas in die Jahre gekommene Praktikum. Die Vorschläge zu Exkursionen und Demonstrationen in Kapitel 4 regen darüber hinaus an in die mikrobiologische Realität einzutauchen.

Das reine Durchlesen macht nicht nur Spaß, sondern ist dank der sehr gut gelungenen Verknüpfung von Lehrbuch und Praktikumsanleitung für jeden mikrobiologisch Interessierten ein Gewinn. Das "Nachkochen im Geiste" ist übrigens eine gute Methode um Wissen dauerhaft zu festigen.

Alles in allem also ein empfehlenswertes und solides Praktikumsbuch mit Schwerpunkten was mikrobielle Diversität, Ökologie und biotechnologische Anwendung von Mikroorganismen angeht. Schön ausgestattet mit CD zu einem Preis von angemessenen 39.95 Euro.

Diese Rezension ist in BIOSpektrum 1/2004 erschienen.

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