Der Meister spricht
Seit langer Zeit schon gelten die Experimente von Benjamin Libet, dem Pionier der Bewusstseinsforschung, als wichtigster Bezugspunkt für die Fragen, wie frei unser Wille denn nun wirklich ist und wann Bewusstsein entsteht. Fast jeder Autor, der sich zum Thema äußert, bezieht sich auf den amerikanischen Neurowissenschaftler und deutet seine Versuchsergebnisse – wohlgemerkt mit unterschiedlichem Ausgang: Mal sind wir frei, mal nicht.
In seinem Buch "Mind Time" spricht nun der Meister höchstpersönlich und legt auch mit Blick auf die aktuelle philosophische Diskussion sein Wissen dar, gewohnt fachlich souverän. Das literarische Ergebnis überzeugt in jeder Hinsicht, obwohl man mit uneingeschränkten Empfehlungen seines Werks sparsam umgehen solle, so der Autor selbst. Doch Zurückhaltung wäre wohl schlicht fehl am Platz: An diesem Buch kommt keiner vorbei!
Libets Forschungsarbeit begann in den 1950er Jahren. Damals untersuchte der Neurowissenschaftler, wie und wann Menschen sich ihrer Sinnesreize bewusst werden. Seine Ergebnisse verblüfften: Berührungsreize am Körper dringen so langsam (in etwa einer halben Sekunde) in unser Bewusstsein vor, dass Wissenschaftler die Verspätung nicht allein mit ihrer Weiterleitung bis ins Gehirn erklären. Vielmehr braucht das Organ so lange, bis es sensorisches Bewusstsein überhaupt aufbaut. Damit wir ein Ereignis dennoch zeitnah erleben, kompensiert ein neuronaler Mechanismus die verzögerte Wahrnehmung.
In den 1970er Jahren entstanden Libets erste, mittlerweile viel zitierte Arbeiten zum Thema Willensfreiheit. Sie besagen, das Gehirn bereite unbewusst eine Handlung vor und leitet die Bewegung ein. Der Drang, diese Aktion ausführen zu wollen, werde allerdings erst nach etwa dreihundert Millisekunden nachgeliefert. Den freien Willen gäbe es also in Form eines bewussten Vetos: Das Gehirn prüfe in den verbleibenden hundert bis zweihundert Millisekunden vor dem Beginn der Tätigkeit, ob sie tatsächlich ausgeführt werden soll. Also initiiere der freie Wille keinen Prozess, sondern kontrolliere ein letztes Mal, ob eine Bewegung tatsächlich sinnvoll oder notwendig ist. Jedem bewussten Prozess geht demnach ein unbewusster, jedoch messbarer Prozess voraus – die Mind Time.
Den Kern dieses Konzepts hat Libet schon früher erläutert. Nun gibt er ihm noch mehr Raum und setzt sich mit anderen, neuen Positionen auseinander. Einige Modelle verwirft Libet, weil sie für ihn experimentell nicht zu überprüfen sind. Angelehnt an den Wissenschaftsphilosophen Karl Popper und sein Falsifikationsprinzip darf zwar jeder an so eine Theorie glauben, aber beweisen oder widerlegen kann man sie nicht.
Libet pocht zwar nicht ständig darauf, im Recht zu sein, doch bleibt der Amerikaner grundsätzlich beim Primat des Experiments. Den einzigen, wenn auch schwer wiegenden Makel seines Buchs – die schlechte Übertragung ins Deutsche – kann man Libet nicht anlasten. Mehr noch: Seine Gedanken sind klar genug, um die grauenvolle, stellenweise kaum mehr lesbare Übersetzung zu überstehen.
In seinem Buch "Mind Time" spricht nun der Meister höchstpersönlich und legt auch mit Blick auf die aktuelle philosophische Diskussion sein Wissen dar, gewohnt fachlich souverän. Das literarische Ergebnis überzeugt in jeder Hinsicht, obwohl man mit uneingeschränkten Empfehlungen seines Werks sparsam umgehen solle, so der Autor selbst. Doch Zurückhaltung wäre wohl schlicht fehl am Platz: An diesem Buch kommt keiner vorbei!
Libets Forschungsarbeit begann in den 1950er Jahren. Damals untersuchte der Neurowissenschaftler, wie und wann Menschen sich ihrer Sinnesreize bewusst werden. Seine Ergebnisse verblüfften: Berührungsreize am Körper dringen so langsam (in etwa einer halben Sekunde) in unser Bewusstsein vor, dass Wissenschaftler die Verspätung nicht allein mit ihrer Weiterleitung bis ins Gehirn erklären. Vielmehr braucht das Organ so lange, bis es sensorisches Bewusstsein überhaupt aufbaut. Damit wir ein Ereignis dennoch zeitnah erleben, kompensiert ein neuronaler Mechanismus die verzögerte Wahrnehmung.
In den 1970er Jahren entstanden Libets erste, mittlerweile viel zitierte Arbeiten zum Thema Willensfreiheit. Sie besagen, das Gehirn bereite unbewusst eine Handlung vor und leitet die Bewegung ein. Der Drang, diese Aktion ausführen zu wollen, werde allerdings erst nach etwa dreihundert Millisekunden nachgeliefert. Den freien Willen gäbe es also in Form eines bewussten Vetos: Das Gehirn prüfe in den verbleibenden hundert bis zweihundert Millisekunden vor dem Beginn der Tätigkeit, ob sie tatsächlich ausgeführt werden soll. Also initiiere der freie Wille keinen Prozess, sondern kontrolliere ein letztes Mal, ob eine Bewegung tatsächlich sinnvoll oder notwendig ist. Jedem bewussten Prozess geht demnach ein unbewusster, jedoch messbarer Prozess voraus – die Mind Time.
Den Kern dieses Konzepts hat Libet schon früher erläutert. Nun gibt er ihm noch mehr Raum und setzt sich mit anderen, neuen Positionen auseinander. Einige Modelle verwirft Libet, weil sie für ihn experimentell nicht zu überprüfen sind. Angelehnt an den Wissenschaftsphilosophen Karl Popper und sein Falsifikationsprinzip darf zwar jeder an so eine Theorie glauben, aber beweisen oder widerlegen kann man sie nicht.
Libet pocht zwar nicht ständig darauf, im Recht zu sein, doch bleibt der Amerikaner grundsätzlich beim Primat des Experiments. Den einzigen, wenn auch schwer wiegenden Makel seines Buchs – die schlechte Übertragung ins Deutsche – kann man Libet nicht anlasten. Mehr noch: Seine Gedanken sind klar genug, um die grauenvolle, stellenweise kaum mehr lesbare Übersetzung zu überstehen.
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