Lernen eine Mutter zu sein und nebenbei noch die Evolution verstehen
Die „weibliche Seite der Evolution“ zu untersuchen, ist sicherlich ein lohnenswertes Vorhaben, gesellschaftlich spannend und wissenschaftlich interessant. Umso erstaunlicher, dass Sarah Blaffer Hrdys Buch, das eben jenen Untertitel trägt, auf stolzen 773 Seiten nur am Rande etwas zum Thema beiträgt. Wer auf die angekündigten Ausführungen, wie z.B. evolutionäre Prozesse auf Mutter und Kind wirken, wartet, der wird enttäuscht. Und wer Antworten auf die Frage sucht, auf welcher genetischen Grundlage der Mutterinstinkt beruht, braucht sehr viel (Lese-) Geduld und eigene Fantasie, um die Fragmente zum Thema selbst zusammen zu kratzen. Er oder sie muss sich durchbeißen durch eine Mischung aus Evolutionskitsch, Allgemeinplätzen und dem fortdauernden Lamento, dass es „nie einfach war, eine Mutter zu sein“. Manche Kapitel haben gar die Qualität der „Bunte Meldungen“-Seiten einschlägiger Tageszeitungen. Hand aufs Herz: Was besagt eine Aussage wie die, dass es bis vor 10.000 Jahren „riskant war, geboren zu werden“? Sicher, einige biologische oder historische Darstellungen sind anschaulich und lehrreich dargestellt. Doch zieht die Autorin leider keinerlei argumentative Kraft daraus. Sie verschenkt die Möglichkeit, die Aspekte zu einem schlüssigen Gesamtbild zu verbinden. Stattdessen pflegt sie eine tendenziöse Bewertung wissenschaftlicher Konzepte und verwechselt des öfteren Evolutions- mit Verhaltensbiologie. Je lockerer und unterhaltsamer eine Textpassage daher kommt, desto mehr fehlt ihr die erforderliche Objektivität. Liegt das alles vielleicht nur an den ungewöhnlichen Quellen der Autorin? Schließlich hat sie während ihrer Recherchen auch Testamente, Märchen und Telefonbücher konsultiert!!
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.