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Hhmm ... knobel, knobel. Eine Schatzkiste für Freunde von (Strategie-) Spielen und ein Denkanstoß für alle Mathematiker und Logiker

Dass John Conway nicht umsonst als einer der ganz großen Mathematiker der Gegenwart gilt, erkennt man an seinem — ursprünglich eher als Spielerei angelegten und in nur wenigen Tagen abgefassten — Buch sofort: Beim Versuch, einfache Spiele wie „Nim“ zu analysieren und Gewinstrategien zu entwickeln, kamen Conway so viele Ideen, dass er kurzerhand das gesamte Zahlensystem neu aufbaute und verallgemeinerte! Sein Buch „On Numbers and Games“ ist in zwei Teile gegliedert — den nullten und den ersten! Der nullte Teil ist der mathematisch-logische. Ausgehend von der leeren Menge und einer den Dedekindschnitten ähnlichen Konstruktion, werden hier die natürlichen und reellen, aber auch alle ordinalen Zahlen sowie eine ganz neue Welt infinitesimaler und transfiniter Zahlen konstruiert. Der Aufbau ist nicht vollständig formalisiert; es werden jedoch auf wenigen Seiten Schwindel erregende Skalen des Großen und Kleinen vorgestellt, kopfzerbrechende Probleme aus der Mengenlehre aufgezeigt und vor allem Fragen über Fragen aufgeworfen. Mathematiker, die sich im Grenzgebiet zwischen Mengenlehre und Analysis tummeln, können „On Numbers and Games“ als Anstoß zur Entwicklung einer „surrealen“ Analysis verwenden — was einige seit Erscheinen der ersten Auflage auch wohl tatsächlich taten. Im „ersten“ Teil des Werkes werden dann verschiedene Spiele und Spieltypen vorgestellt und teilweise bzw. vollständig analysiert. Hier wird deutlich, in welchem Tempo das Buch gelesen werden soll: Die Ideen überschlagen sich häufig — mitunter zu Lasten des Durchblicks. Es werden allgemeine Prinzipien beschrieben, mit deren Hilfe man entscheiden kann, welcher Spieler in verschiedenen Situationen eine Gewinnstrategie verfolgt, ganze Klassen von Spielen auf „Nim“ und die so genannte „Grundy-Zahl“ reduziert, das Simultanspiel von mehreren Spielen unter verschiedenen Rahmenbedingungen untersucht und und und ... Allerdings sind die Stärken des Buches auch gleichzeitig seine Schwächen — zumindest, was das breite Publikum anbelangt. Ein „normaler“ Leser, nicht spezifisch mathematisch vorgebildet, ist vermutlich vom Abstraktionsgrad und dem Reichtum der Ideen anfangs völlig überfordert. Auch die treffende und geistreiche Begriffsbildung („Temperatur“ eines Spieles, „zahme“ Spiele, „disjunktes langes Spielen“ usw.) trägt erfolgreich zur allgemeinen Verwirrung bei, und der Witz einer Zeichnung mit dem Titel „Wie man ein Spiel durch Übergießen mit Wasser abkühlt“ bleibt so manchem Leser wahrscheinlich verborgen. Kurz gesagt: Man sollte von „On Numbers and Games“ keine einfachen Rezepte zum Gewinnen von Domino erwarten. Das Buch wird erst dann verständlich, wenn man bereit ist, viel Zeit und Mühe zu investieren. Dann aber wird alles sehr klar, und die Lektüre kann zur Sucht mutieren. Vielleicht nimmt ja auch der eine oder andere Mathematiker die mitunter skurrilen Vorschläge des prominenten Autors ernst und entwickelt beispielsweise die noch ausstehende Integrationstheorie über dem neuen Zahlenuniversum ...

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