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Säugetier ehrenhalber

"Phänomen Honigbiene" von Jürgen Tautz – eine kompetente und faszinierende Einführung in das Reich der Bienen! Das Buch ist nicht nur für Biologen verständlich. Es ist daher auch all jenen zu empfehlen, die neugierig sind und ihr Wissen über ein Insekt erweitern möchten, dessen Fähigkeiten im Verlaufe der Evolution zur Bildung eines hochorganisierten Staates – dem so genannten Superorganismus geführt haben, dessen Eigenschaften weit über die verschiedenen Fähigkeiten seiner Mitglieder hinausgehen und sogar auf diese zurückwirken.

Der Autor ist einer der renommiertesten internationalen Bienenforscher: Er lehrt an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und ist Leiter der weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Forschungseinheit "BEEgroup". Der Aufbau des Buches ist ungewöhnlich, indem bereits im Prolog herausragende Leistungen des Bienenvolkes in prägnanter Weise präsentiert werden. Das steigert die Neugier, und von nun an wird man bis zum Ende der Lektüre in ihren Bann gezogen. Wer wie Jürgen Tautz in der Lage ist, auch die besonders komplexen Eigenschaften des Bienenstaates fast ohne den Gebrauch von Fachwörtern zu schildern, kann auch humorvolle Bemerkungen einfließen lassen – zumal diese Interesse stets aufs Neue anfachen.

So verleiht er dem Bienenstaat den Titel "Säugetier h.c." (honoris causa), und der Leser wird dies schmunzelnd gerne akzeptieren. Denn wie dem Säugetierindividuum ist es auch dem Bienenstaat im Verlaufe der Evolution gelungen, seine Nachkommenschaft im frühen Jugendstadium durch Wärmeproduktion (etwa dem Flugmuskelzittern durch "Heizerbienen") inklusive Temperaturregelung und Selbstversorgung durch eigene Nahrungsproduktion – der Schwesternmilch von Ammenbienen – von den wechselhaften Umweltbedingungen unabhängig zu machen. Das ist ein Riesenvorteil gegenüber all jenen Organismen, die dazu nicht in der Lage sind. Er schafft die Voraussetzung für ein ganzes Bündel von Leistungen, die innerhalb des Bienenstaates von größter Bedeutung sind wie die Sicherung der vielen Funktionen der Wabe (Speisekammer, Brutstätte, "Informationsspeicher") und viele spezielle Verhaltensweisen wie die lokale Beheizung der verdeckelten Brutnestregion und die Reduktion von Wärmeverlusten.

Faszinierend sind auch die vielen weiteren Fähigkeiten, die zur Sicherung der funktionellen Organisation des Bienenstaates innerhalb und außerhalb seiner Grenzen nötig sind: die optisch, chemisch und mechanisch gesteuerte Orientierung, die Kommunikationsfähigkeiten untereinander und die höchst beeindruckenden kognitiven Fähigkeiten. Es ist Jürgen Tautz in hervorragender Weise gelungen, alle diese Kenntnisse aus der umfangreichen Literatur und aus seinen eigenen Forschungsergebnissen so darzustellen, dass sie auch dem Laien einen tiefen Einblick in das komplexe Verhalten der Bienen vermitteln.

Dabei kommt ihm sicherlich der Vorteil zugute, dass er an vorderster Front der Forschung arbeitet – und seine besondere Gabe, das Grundwissen jener richtig einzuschätzen, die er mit seinem Buch ansprechen möchte. Seine Sprache zieht jede Leserin und jeden Leser in ihren Bann, und die fantastischen Grafiken sowie Fotos (über 200 Farbbilder darunter zahlreiche ganzseitige) von Helga R. Heilmann, tragen dazu bei, dass das Gelesene sogar zum Erlebnis wird. Wer wird da bezweifeln, dass "Die Honigbiene – ein Erfolgsmodell" der Evolution ist?

Das beeindruckende Geschehen im Bienenstaat sollte eigentlich schon genügen, um den Bienenvölkern den denkbar besten Schutz angedeihen zu lassen. Wer dieses Argument aber noch nicht ernst nimmt, sollte bedenken, dass die Bienen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung bereits auf Rang 3 hinter den wichtigsten Haustieren – Rind und Schwein – einzuordnen sind. Immerhin bestäuben sie über 80 Prozent der landwirtschaftlich bedeutsamen Blütenpflanzen – diese Leistungen werden in "Phänomen Honigbiene" ebenfalls gewürdigt. Es ist bekannt, dass die Zahl der Bienenvölker in Deutschland seit 1993 um etwa 45 Prozent zurückgegangen ist: ein dramatisches Ereignis!

Krankheiten, Parasiten und Insektenbekämpfungsmittel gehören zu den Ursachen des häufiger als in früheren Zeiten auftretenden Bienensterbens. Nicht unterschätzen darf man aber auch den extremen Rückgang von Wiesenblumenarten auf Grund der Acker- und Grünlandbewirtschaftung. Das Problem der Sicherung von Honigbienenbeständen, indem man für die Imkerei wirbt und sie fördert, kann man nicht lösen, wenn nicht auch die Vielfalt und Menge an bestäubbaren Kultur- und Wildpflanzen bewahrt wird. Der dringend erforderliche Schutz der Bienenvölker stellt deshalb eine enorme Herausforderung dar, nicht nur für die Imker, sondern auch für die Landwirte, alle übrigen Grundbesitzer, die Landschafts- und Verhaltensökologen wie die Naturschützer.

Ihnen allen sei das Buch "Phänomen Honigbiene" deshalb ebenso sehr empfohlen wie selbstverständlich auch der begeisterungsfähigen Jugend. Es sollte daher in keiner Schulbibliothek fehlen und für den Biologieunterricht herangezogen werden, zumal die konkreten Beispiele der Eigenschaften und Leistungen der Bienen in vielen Fällen den Einstieg in spezielle Themen der Allgemeinen Biologie (Keimbahn, Genetik, Staatenbildung und anderes) erleichtern. Daher möchte ich Jürgen Tautz noch ein letztes Mal zitieren: "Unterstützen wir die Honigbienen, so unterstützen wir uns selbst."

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