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Lernen in der Neurowissenschaft

Im Zusammenhang mit der gegenwärtig immer weiter ausufernden Bildungsdiskussion rückt auch die Frage nach den neurobiologischen Grundlagen des Lernens zunehmend ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Kein Wunder, ist doch ein tiefes Verständnis dieser Gesetzmäßigkeiten Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung in der Pädagogik und Didaktik. Mit "Principles of Learning and Memory" legen nun die drei Psychologieprofessoren Frank Rösler, Gerd Lüer und Rainer Kluwe ein Werk vor, in dem sich 15 hochkarätige Autoren mit diesem Themenkomplex auseinander setzen.

In fünf thematische Abschnitte gegliedert, beleuchtet der Sammelband die Prinzipien des Lernens aus den Perspektiven der kognitiven Psychologie, der Neurowissenschaften, der Physiologie sowie der Biologie. So setzen sich die Autoren zunächst detailliert mit den neuronalen Mechanismen auseinander, die der Bildung des menschlichen Gedächtnisses zugrunde liegen. Dabei erörtern sie erfreulicherweise auch ein Thema, das bisher von der wissenschaftlichen Literatur sträflich vernachlässigt wurde: dem Einfluss von Emotionen auf Lernen und Gedächtnis.

In den folgenden Abschnitten stehen neueste Forschungsergebnisse im Vordergrund, die etwa die Aufnahme von Information ins Gedächtnis sowie deren Speicherung, Manipulation und Abruf erklären sollen – Prozesse, die allesamt auf hoch organisierten neuronalen Systemen beruhen. Im Zusammenhang mit der Umwandlung neuer Informationen in stabile Gedächtniseinträge legen die Autoren ihr Hauptaugenmerk auf die Funktion von verschiedenen neuronalen Substraten. Sie diskutieren außerdem die Möglichkeit, das Gedächtnis auf pharmakologischer Ebene zu beeinflussen.

Als besonders facettenreich erweist sich die neurowissenschaftliche Forschung im vierten Teil, in dem die Frage nach der Kontrollierbarkeit von Gedächtnisprozessen erörtet wird. Dazu bedienen sich die Verfasser verschiedenster Forschungsergebnisse aus Physiologie, Anatomie und Psychologie.

Schließlich widmen die Autoren auch den evolutionsbiologischen Aspekten von Lern- und Gedächtnissteuerung einen Abschnitt. Auf eindrucksvolle Weise legen sie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede neuronaler Mechanismen und assoziativen Lernens verschiedener Spezies dar und diskutieren deren mögliche entwicklungsgeschichtliche Ursachen.

Gefragt: eine gute Portion Vorwissen. Insgesamt betrachtet bietet der Sammelband einen ausgewogenen Rundumschlag zum Thema "Lernen". Psychologen, die Informationen über die neuronalen Grundlagen des Lernens suchen, werden hier ebenso fündig wie Biologen oder Informatiker, die etwas über den modularen Aufbau des menschlichen Gedächtnisses erfahren möchten. Die Grenzen tradierter Forschungsfelder werden aufgehoben und die Leser in eine interdisziplinäre Synthese der neuesten Forschungsergebnisse geleitet.

Dabei stellen die Beiträge zum Teil überraschende Zusammenhänge her – ohne vorhandene Kontroversen innerhalb der neurowissenschaftlichen Forschung zu übergehen.

Um allen Ausführungen dieser Debatten folgen zu können, bedarf es freilich einer ordentlichen Portion Vorwissen: Ganz sicher wendet sich das Buch nicht an ein Laienpublikum. In Fachkreisen hat es jedoch beste Chancen zu einem neuen englischsprachigen Standardwerk zu avancieren.
  • Quellen
Gehirn&Geist 4/2003

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